Sana Blaubuch
mit dem Alter zu beschäftigen. Und in der Logik der Forschungsergebnisse begann das Alter mit dem Zeitpunkt der Geburt. Also wurden sowohl die Babys als auch die Hochbetagten zum Schwer- punkt der lebenswissenschaftlichen Forschung. Und dann rasselten die Ergebnisse nur so durch die Forschungslandschaft. Großartig war die Ent- deckung der Pathomechanismen der Demenz im Jahr 2022. Als man diese kennengelernt hatte, waren es vergleichsweise kleine Schritte zur The- rapie des geistigen Verfalls. Gleichzeitig bestätigte sich die Erkenntnis, dass die Lebensumstände der ersten zwei Lebensjahre bereits deutliche Auswir- kungen auf den Zustand der Gesundheit im hohen Lebensalter und damit auf die Lebenserwartung haben. Bereits vor Jahrzehnten war einem For- scher in Afrika aufgefallen, dass Kinder, die in Perioden der Dürre geboren worden waren, auch wenn sie diese unbeschadet und für Jahrzehnte überlebten, früher starben als ihre Geschwister, die in Zeiten bestmöglicher Säuglingsernährung auf die Welt gekommen waren. Die Hypothese der sogenannten Programmierung war geboren und besagte, dass bereits die Qualität der Ernährung vor der Geburt im Mutterleib Auswirkungen auf die Gesundheit im späteren Lebensalter und auf die Lebenserwartung hat. Ernährung und Bewegung ebenso wie die Förderung kindgerechter Bildung scheinen der Schlüssel für ein langes und gesun- des Leben zu sein. Babys, Bildung, Business Ich glaube, da hat unser Paulinus einen guten Start gehabt. Dahinter aber steht der Gedanke, dass wir ganzheitlicher im wahrsten Sinne des Wortes vorgehen müssen. Mir fällt da B3+ ein. Genau. B3+ war ein großes Gesundheitsprogramm, das 2020 startete. Es stand für Babys + Bildung + Business und sollte sicherstellen, dass sowohl das demografische Problem bei seinen Wurzeln angepackt als auch über die Steigerung des Bil- dungsniveaus die Prävention von Krankheiten auf die Agenda genommen wurde. Die Gesundheitswirtschaft—und dazu gehörte dann das B für Business—sollte als Treiber des Programms gewor- ben werden und sicherstellen, dass quasi im Nebenschluss die Gesundheit auf ein exportfähiges Topniveau gebracht würde. Nach einer großzügigen Kabinettsumbildung und der Androhung der Kanzlerin (es war bereits die zweite Kanzlerin in der Geschichte Deutschlands, aber die erste mit Zwil- lingen), ein Superministerium für Gesundheit, Bildung und Demografie zu schaffen, entwickelte man den B3+-Masterplan. Alle machten mit. Ich habe kürzlich gelesen, wie schnell sich B3+ entwickeln konnte. Stimmt. Die Modellregion für das B3+-Programm war Berlin. Dort war al- les vorhanden, was ein Gesundheitswirtschaftssystem, das einen solchen Namen tatsächlich verdienen würde, benötigte. Eine flächendeckende Ver- sorgung mit Ärzten in Praxen und Krankenhäusern (heute im Jahr 2051 unterscheiden wir nicht mehr zwischen stationärer und ambulanter Medizin und sprechen stattdessen von Versorgungs-Areas). Außerdem gab es eine Universitätsklinik, die sich ohnehin das Thema Life Sciences auf die Fahnen geschrieben und sich bereits seit Jahren intensiv auf die Suche nach dem nächsten Nobelpreisträger aus den eigenen Reihen gemacht hatte. Dazu kamen eine aktive Pharma- und Medizintechnikindustrie, diverse Gesund- heitsversicherer (die man früher Krankenkassen nannte) und natürlich die Standes- und Verbandsvertretungen. Außerdem waren die Berliner zu 99,5 Prozent aktive Onliner und damit in der Tat prädestiniert für das bislang größte Experiment in Sachen Gesundheit. Und da war es nur noch ein kleiner Schritt zu deinem Herzensthema, der Lebensgesundheitsakte? Es herrschte einfach eine enorme Aufbruchsstimmung. Das technische « Die Qualität der Ernährung vor der Geburt hat bereits Auswirkungen auf die Gesund heit im späteren Lebensalter und auf die Lebenserwartung. Ernährung und Bewegung ebenso wie die Förderung kind- gerechter Bildung scheinen der Schlüssel für ein langes und gesundes Leben zu sein. » 2 0 5 1 M a r k u s M ü s c h e n i c h E S S AY 11
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