Sana Blaubuch
42 2 0 11 S I X T US A L L ERT V om S e h n e n e r s at z b i s z u m B y pa s s Marke Eigenbau Der Mensch wird immer mehr zum chirurgischen Möglichkeitsraum und Ersatzteillager seiner selbst. Wo geht die Zukunft hin? Im Fachbereich der plastischen ästhetischen Chirurgie ist Gewebezüchtung ein wichtiger Trend. Die Erforschung von Möglichkeiten, Gewebeersatz herzustellen, ob Knorpel oder ganze Organ- systeme wie beispielsweise Haut, ist zukunftsweisend. Mikrochirurgische Techniken ermöglichen schon heute, Gewebetransfers durchzuführen. Eine Brust muss nicht mehr zwingend mit Implantaten vergrößert werden. Bereits sei einigen Jahren wird hierzu auch Fett aus dem Gesäß, aus dem Bauch oder aus dem Oberschenkel aufgearbeitet und für eine Brustvergrößerung verwendet. In der Handchirurgie setzt man auf Sehnenersatz aus eigenem Gewebe. Und bei Bypass-Operationen sorgen eigene Venen aus den Armen oder Beinen dafür, dass das Herz über eine Umleitung an einer verstopften Ader vorbei wieder zuverlässig mit genügend Blut und Sauerstoff versorgt wird. Denn der Körper nimmt seine eigenen Zellen auch an anderer Stelle besser an als Fremdmaterial. Künstliche Ersatzteile ermöglichen jedoch ebenso beeindruckende me- dizinische Erfolge: Gefäßprothesen aus Kunststoffen wie Dacron oder Gore- Tex sind seit Mitte der 1960er-Jahre ein gängiges Instrument zur Behandlung von geschädigten Blutgefäßen und auch heute noch die richtige Wahl, wenn es einem Patienten an eigenem gesundem Gefäßmaterial mangelt. Im Berlin der 1920er- und 30er-Jahre gab es vier überaus bekannte Mediziner—mit unter- schiedlichen Fachge- bieten, aber ein und demselben Nachnamen: Joseph. Um diese aus- einanderhalten zu kön- nen, erfanden die Berli- ner treffende Beinamen: Aus dem Dermatologen Max Joseph wurde der Hautjoseph, Eugen Joseph nannte man in seiner Eigenschaft als Urologe den Blasen- joseph und wer einen Magen-Darm-Spezia- listen brauchte, wurde zum Magenjoseph Gus- tav Joseph geschickt. Der vierte Joseph im Bunde war der Nasen- joseph: Jacques Joseph (1865–1934), Begründer der modernen plasti- schen und rekonstruk- tiven Gesichtschirurgie. Seine erste Schön- heitsoperation führte Joseph 1896 durch—an einem Kind, das wegen seiner großen, abste- henden Ohren gehän- selt wurde. Zwei Jahre später nahm er die erste Nasenkorrektur vor. Bis 1907 operierte er 200 weitere Nasen. Knochen und Knorpel ersetzte er durch Elfenbein, geeignete Operations- instrumente entwarf er selbst. Das Raspatorium wird heute noch von plastischen Chirurgen verwendet und trägt für die meisten den Namen seines Erfinders. Sein Atlas und Lehrbuch zur Nasenplastik ist noch heute ein Standardwerk in der Gesichtschirurgie. Weg vom Ersatzteillager Der Nasenjoseph fig.: Jacques Joseph war ab 1916 Leiter der Abteilung Gesichtsplastik an der Berliner Charité. fig.: Ein künstliches Kniegelenk ermöglicht schmerzfreie Fortbewegung aus eigener Kraft, wenn das Knie erkrankt oder verletzt und irreperabel ist. Künstliche Gelenke bestehen heute oft aus Titan, um allergischen Reaktionen vorzubeugen. Dauer- haft gehalten wird eine Endoprothese aber nicht nur durch künstlichen Knochenzement, sondern vor allem durch eine Knochensubstanz, die unser Körper selbst nachträglich bildet.
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