Sana Blaubuch

«Die Skoliose- Operation ist das High End der Wirbelsäulen­ chirurgie. » Dr. med. Friederike Lattig Oberärztin der Orthopädischen Universitäts­- klinik mit Querschnittgelähmtenzentrum RKU - Universitäts- und Rehabilitations­- kliniken Ulm S k o l i o s e Kerzengrade aufgerichtet Eine Skoliose lässt die Wirbelsäule aus dem Bauplan wachsen. In Ulm bringt eine Wirbelsäulenchirurgin den Rücken ihrer Patienten wieder ins Lot. Als die sechsjährige Malak im Sommer 2012 zu Dr. med. Friederike Lattig kam, war ihr Rumpf regelrecht in sich zusammengesackt. Das Mädchen aus Libyen litt an einer doppelbogigen Skoliose, bei der die Wirbelsäule s-förmig verformt ist. «Bei Malak war die Skoliose bereits so weit fortge- schritten, dass Herz und Lunge beengt waren und das Kind beim Spielen rasch außer Atem kam», erklärt Lattig. Skoliosen können angeboren sein oder durch Erkrankungen der Muskeln oder des Bindegewebes entstehen. Meistens aber ist die Ursache unbe- kannt. Auch bei Malak lag eine solche sogenannte idiopathische Skoliose vor. Während leichtere Skoliosen bei Kindern oft mit einem Korsett zu korrigieren sind, half bei dieser starken Verkrümmung nur die Operation. Bei dem bis zu zehnstündigen Eingriff werden Schrauben in die Wirbel verankert und mit Metallstäben verbunden. Mit diesem Schrauben-Stab- System lassen sich die Wirbelkörper spreizen oder zusammendrücken, und damit lässt sich die Wirbelsäule in vielen Einzelschritten wieder auf- richten. Ein Prozess, der dem Operateur nicht nur ein hohes Durchhalte- vermögen abverlangt, sondern auch eine gute räumliche Vorstellungskraft und sehr viel Erfahrung, erklärt Lattig: «Die Skoliose-Operation ist für mich das High End der Wirbelsäulenchirurgie. Der Eingriff erfordert Kraft eben- so wie Feingefühl und ein hohes Maß an Sorgfalt und Geschicklichkeit. » Bei Malak verlief die Operation ohne Komplikationen. Nach sechs Stun- den war ihr Rumpf wieder kerzengrade. Jetzt kann das Mädchen endlich unbeschwert und ohne Atemnot herumtollen. H e i k o R e i c h e l / F r i e d e r i k e L at t i g / Y o r c k - B e r n h a r d K a l k e A u f s t r e b e n 37 Sir Ludwig Guttmann—Vater der Paralympics Training, Wettkampf, Sieg! Die Wiege der Paralym- pics steht im britischen Stoke Mandeville Hospital—dem weltweit ersten Zentrum für Wirbelsäulenverletzun- gen, das 1944 eröffnet wurde. Sein Leiter, Sir Ludwig Guttmann , entwickelte dort revolu- tionäre Behandlungs- ansätze für Querschnitt- gelähmte, die bis heute gültig sind. Guttmann wollte sich nicht mit der damals gültigen Lehr­- meinung abfinden, Querschnittgelähmte seien medizinisch nicht zu therapieren und hätten eine Lebens- erwartung von maximal zwei Jahren. Bei sei- nem Therapiekonzept setzte der Neurologe vor allem auf körper­ liche Aktivitäten und psychische Mobilisie- rung. Guttmann unterstützte seine Patienten gemein- sam mit Therapeuten und Pflegepersonal bei der Bewältigung des Alltags und verordnete ihnen Sportarten wie Bogenschießen, Dart und Tischtennis, um Muskelkraft sowie Selbstvertrauen aufzu- bauen. 1948 richtete er erstmals die Stoke Mandeville Games aus: 16 gelähmte Kriegsveteranen traten in verschiedenen Rollstuhl-Sportdiszipli- nen gegeneinander an. Seit 1960 gibt es regel­- mäßig Paralympics.

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