Sana Blaubuch
O r t h o p ä d i e - g e s c h i c h t e b l a u b u c h 09 auf die Beine kamen. Seine Geräte gelten als Prototypen der modernen «Kraftmaschinen», die in der Rehabilitation genauso verbreitet sind wie im Freizeitsport. Orthopädie von morgen Die lebenswichtige Bedeutung des Muskel-Ske lett-Systems wurde in der Medizin lange verkannt. Aber das hat sich gründlich geändert. Die jüngere Forschung hat aufgezeigt, dass das Skelett kein lebloses «Gerüst » ist, sondern ein höchst aktives Körpersystem. ImKnochengewebe laufen vielerlei komplizierte Stoffwechselvorgänge ab. InAnpas- sung an unterschiedliche Belastungssituationen bauen sich die Knochen permanent auf, ab und um. Und auch die Skelettmuskeln sorgen nicht nur für Beweglichkeit und Kraft, sondern schütten bei körperlicher Aktivität über 400 hormonähnliche Botenstoffe aus, die überall im Körper wirken. Unter anderem sind sie am Zuckerstoffwechsel, bei der Ausbildung von Nervensynapsen und bei der Bildung vonAbwehrzellen des Immunsystems beteiligt. Ein Großteil dieser Botenstoffe ist noch unerforscht, doch die bereits bekannten Wirkme- chanismen geben eindeutige Hinweise darauf, warum Bewegung uns gesund hält—und zwar rundherum. Knochensäge, Bohrer, Meißel, Zange—vor nicht allzu langer Zeit waren die Werkzeuge der orthopädischen Chirurgen eher grob. Inzwischen sind sie immer kleiner, feiner, sanfter und intelli- genter geworden. Um das Muskelgewebe zu schonen und die Patienten nach der Operation frühzeitig wieder zu mobilisieren, erfolgen heute viele Eingriffe minimalinvasiv und mikrochirurgisch. Navigationsgeräte und Operationsplanungssoftware ermöglichen demChirurgen millimetergenaues Arbeiten und optimierten die Operationsergebnisse. Vielversprechende Fortschritte macht auch die Züchtung von Knochen- und Knorpelzellen aus körpereigenen Stammzellen, mit denen zerstörtes Gewebe ersetzt werden kann. Noch stecken diese Verfahren in den Kinderschuhen, doch in Zukunft könnten sie künstlichen Gelenkersatz vielleicht überflüssig machen. Die Orthopädie von morgen wird aber auch wieder verstärkt auf nicht operative Ansätze wie Manualmedizin, Schmerztherapie, Physiotherapie und Psy- chosomatik setzen—und das mit gutem Grund. Denn Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems haben oft vielschichtige Ursachen und Aus- wirkungen, die sich erst mit dem ganzheitlichen Blick auf den Patienten richtig verstehen und therapieren lassen. Der aufrechte Gang mit all seinen orthopädischen Risiken und Neben- wirkungen wird den Menschen auch weiterhin mitunter heftig in den Gliedern stecken. Gut, dass die Orthopädie und Unfallchirurgie uns mit immer bes- seren Erkenntnissen und Möglichkeiten in Bewegung hält.
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