Sana Blaubuch
28 K O N Z E N T R I E R E N C H R I S T O P H E R P I O R K OWS K I / K L A U S M AT S C H K E pausenlos den Herzrhythmus auf und überträgt die Messdaten über eine Sendestation in festge- legten Intervallen an das Herzzentrum. Sobald der «elektronische Schutzengel» auf demhäuslichen Nachttisch des Patienten auffällige Werte sendet, erhalten die Kardiologen Rückmeldung und ver- einbaren kurzfristig einen Termin in der Klinik. «Wir erkennen an den Aufzeichnungen zum Beispiel die Vorzeichen eines Schlaganfalls oder Hinweise auf ein gefährliches Kammerflimmern», erklärt Piorkowski. «Davon profitieren zum Bei- spiel Patienten mit Verdacht auf seltene Herz- rhythmusstörungen, Vorhofflimmern oder unklare Ohnmachtsanfälle. » Auch bei schwerer Herzin- suffizienz werden in manchen Fällen Defibrillatoren oder kardiale Resynchronisierungssysteme (s. S. 42) implantiert, die sowohl den Herzschlag überwachen als auch den Gesundheitszustand der Erkrankten laufend kontrollieren. Die Mini- wächter liefern neben dem Herzfrequenzprofil oder den Blutdruckwerten inzwischen sogar Hin- weise auf die Entstehung von Lungenödemen. Das Bestechende an der Telemonitoring-Nach- sorge: Sie erfasst diese biologischen Warnsignale, bevor der Patient überhaupt erst merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und die Ärzte können der Verschlechterung der Krankheit rechtzeitig zuvorkommen, etwa durch Anpassung der Me- dikamente. Das medizinische Frühwarnsystem zeigt nachweislich Wirkung: Laut einer neuen Studie haben telemedizinisch betreute Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz und einem implantierten Defibrillator nicht nur einen sta- bileren Krankheitsverlauf, sondern ihre Erkrankung endet auch wesentlich seltener tödlich. Günstigere Prognosen, mehr Sicherheit, ver- besserte Lebensqualität—für Herzpatienten mit implantierten Aggregaten ist Telemonitoring eine effiziente und wirksame Betreuungsoption. Doch läuft die technische Fernüberwachung nicht Ge- fahr, zum Beziehungskiller zwischen Arzt und Patienten zu werden? Ganz im Gegenteil, meint Piorkowski: «Wenn das Telemonitoring im klinischen Alltag konsequent und verlässlich umgesetzt wird, dann intensiviert sich dasArzt-Patienten-Verhält- nis sogar. » Zum Beispiel bei einem seiner Pati- enten, dessen EKG-Rekorder außergewöhnlich oft Störsignale sendete. Nach etlichen Telefona- ten konnten Arzt und Patient die «Störenfriede» ausfindig machen—glücklicherweise nicht im Herzen des Patienten, sondern in seinemRadio wecker und seinen Kühlschrankmagneten. Jetzt ist der Rekorder nachjustiert, und alle können wieder ruhig schlafen. Offenbar bleibt der Kontakt von Mensch zu Mensch trotz aller technischen Errungenschaften in der Medizin unersetzlich. Hochleistungsorgan Herz Feinfühliger Schwerstarbeiter im Dauerbetrieb Zirka 100.000 Mal schlägt das Herz jeden Tag, über 35 Millionen Mal im Jahr. Pro Minute pumpt es fünf bis sechs Liter Blut durch die Adern, rund 8.000 Liter täglich. Bei einem 70-Jährigen sind das seit der Geburt über 200 Millionen Liter— genug, um mehr als drei große Tankschiffe zu füllen. Damit erzeugt der faustgroße Muskel aus eigener Kraft fast so viel Energie wie die Jahresleistung einer modernen Windkraft- anlage . Für diese Mammut leistung wendet das Herz täglich etwa so viel Energie auf, wie benötigt wird, um einen Güterwaggon einen Meter hochzuheben . Im Laufe eines Lebens schlägt das Herz mehr als drei Milliarden Mal.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2Njg=