Sana Blaubuch

R E I S E I N S H E R Z K O O P E R I E R E N 09 Doch während die Medizin von heute über ein reich gefülltes Methodenarsenal zur Behandlung solcher Herzkrankheiten verfügt, standen die Ärzte des 19. Jahrhunderts quasi mit leeren Händen da. Selbst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts galten Eingriffe amHerzen als aussichtslos. «Ein Chirurg, der die Naht einer Herzwunde versuchen wollte, sollte den Respekt seiner Kollegen sicher verlieren», so urteilte damals der berühmteWiener Hofrat Theodor Billroth. Der Erste, der mit diesem uralten medizinischen Dogma brach, war der Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn. 1896 wurde ein junger Gärtnerbursche mit einem Messerstich in die Brust in seine Klinik gebracht. Entgegen dem Rat seiner Kollegen öffnete Rehn den Brustkorb des Schwerverletzten und schloss die knapp zwei Zentimeter lange Stichwunde—mit der ersten Herznaht, die jemals ein Chirurg des Abendlands gewagt hatte. Zur Verwunderung der Fachwelt erholte sich der fast ausgeblutete Patient rasch. Mit der mutigen Tat des Frankfurter Chirurgen schlug die Geburts- stunde der modernen Herzchirurgie. Doch ihre Meilensteine der Herzmedizin Diese Erkenntnis blieb der Medizin durch das Autopsieverbot der Kirche über Jahrhunderte ver- borgen. Erst im 16. Jahrhundert begann sich der Schleier zaghaft zu lüften. Nachdem der Begründer der Anatomie, der flämischeArzt Andreas Vesalius, 1543 die erste systematische Darstellung des menschlichen Innenlebens veröffentlicht hatte, ließen die Spekulationen über die Funktion des Herzens allmählich nach. Den ersten Meilenstein auf demWeg zu einer wissenschaftlich begründeten Herzmedizin setzte WilliamHarvey. 1628 beschrieb der englischeArzt erstmals denmenschlichen Blutkreislauf und ver- setzte damit die Fachwelt in helle Aufregung. Er erkannte, dass das Blut, angetrieben vomHerzen, in einem geschlossenen Gefäßsystem zirkuliert. Zu Lebzeiten erntete er für seine bahnbrechende Theorie nur den Spottnamen «Circulator». Erst nach seinem Tod setzte sich die Betrachtung des Herzens alsMotor des Blutkreislaufs langsamdurch. Der Wissensgewinn rund umdie Herzmedizin blieb jedoch weiterhin bescheiden. 1733 gelang dem Briten StevenHales die erste Blutdruckmessung—ein brachiales Unterfangen, bei dem er eine Kanüle in die Halsschlagader eines Pferdes einführte und den Blutdruck mit einem Glaszylinder ermittelte. Erst mehr als 150 Jahre später, 1896, erfand der italienischeArzt Scipione Riva-Rocci die unblutige Blutdruckmessungmit einerArmmanschette. Nach ihm wird der gemessene Blutdruck in der Praxis bis heute RR genannt. Auch ein anderes immer noch aktuelles herzmedizinisches Diagnosegerät feierte gegen Ende des 19. Jahrhunderts Premi- ere: das Stethoskopmit zwei flexiblen Schläuchen. Sein Vorgängermodell, ein simpler hölzerner Zy- linder zumAbhören der Herz- und Lungengeräusche, hatte der französische Arzt René Laënnec schon 1816 konstruiert. Die schlichte, aber wirksame Methode der Auskultation hat sich bis heute be- währt. Mithilfe des Stethoskops und des geschul- ten Ohrs desArztes lassen sich Defekte der Herz- klappen oder der Herzscheidewand ebenso deu- ten wie Entzündungen des Herzbeutels oder Gefäßverengungen. «Mit der mutigen Tat eines Frankfurter Chirurgen schlug die Geburtsstunde der modernen Herzchirurgie. » fig.: Herzkatheter, kombiniert mit modernen bildgebenden Verfahren, sind eine schonende Alternative für die Operation am offenen Herzen.

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