Sana Blaubuch

K R A N K E N H A U S H Y G I E N E I N T E R V I EW 11 nur sehr viel mehr Daten, um Probleme zu er- kennen und gezieltere Verhaltensempfehlungen zu geben. Seit Ignaz Semmelweis um 1850 die Händehygiene als wichtigstes Instrument der In- fektionsverhütung entdeckte, hat sich an diesem Grundprinzip nicht viel geändert. Die entscheiden- de Maßnahme ist das Desinfizieren der Hände. Was wir gelernt haben, ist mehr risikoadaptiv und weniger dogmatisch vorzugehen. Das Ziel ist, neben einer Basishygiene für den Umgang mit allen Patienten den Schwerpunkt auf mehr patien- tenzentrierte Präventionskonzepte zu legen. Kurz: Mehr Flexibilisierung und Individualisierung. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das bedeutet nicht, dass in Bezug auf die Hygiene jeder tun und lassen kann, was er mag. Das bedeutet vielmehr, dass über die Grundregeln hinaus wir mehr auf die Probleme des einzelnen Patienten eingehen und die Vorgaben individuell anpassen müssen. Gibt es überhaupt eine 100-prozentige Hygienesicherheit in Krankenhäusern? Prof. Geiss: Gibt es eine100-prozentige Verkehrs- sicherheit? Was wir im Krankenhaus in Bezug auf Hygiene machen, ist Risiken zu identifizieren und vorzubeugen. Mit dem Ziel einer maßgeschnei- derten Hygiene für jeden einzelnen Patienten, so wie wir zukünftig eine individualisierte Medizin betreiben werden. Dr. Philippi: Mit Top-down-Vorgaben, Strafen und Sanktionen können Sie der Problematik nur als allerletztes Mittel Herr werden. Aber wir dürfen eines nicht vergessen: Flexibilisierung und Individualisie- rung ja, aber das Hygienesystem darunter muss stabil, verstetigt und jeden Tag präsent sein. Wir müssen genügend exzellent ausgebildete Fach- leute haben, weil Hygiene letztlich ein komplexes Expertenthema ist. Die Personalfrage ist deshalb auch eine der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Unsere Gesellschaft wird älter, internatio­ naler und interkultureller. Kommen mit den Flüchtlingen beispielsweise ganz neue Herausforderungen auf Krankenhäuser zu? Dr. Philippi: Ja, wir haben als Krankenhausträger die Pflicht, hierfür genauso erstklassige Versor- gungskonzepte zu entwickeln. Hygiene ist dies- bezüglich nur ein Stichwort, weitere Diskussionen finden gerade unter dem Begriff «kultursensibles Krankenhaus» statt. Da kommen neue Heraus- forderungen auf uns zu, umso mehr müssen wir uns damit beschäftigen. Ist Hygiene ein Wettbewerbsfaktor zwischen den Kliniken? Werden Patienten künftig gezielter auswählen, wo sie sich behandeln oder operieren lassen? Dr. Philippi: Wir werden diesbezüglich drei Phasen erleben. Derzeit stecken wir in der ersten Phase, in der das Thema Hygiene in der Transparenz in allen Kliniken überschaubar ist. Hier herrscht tatsächlich Wettbewerb. In der zweiten Phase werden sich die Unterschiede nivellieren, weil sich kein Krankenhaus auf Dauer einen Quali- tätsunterschied leisten kann. Das Niveau wird insgesamt höher sein. In einer dritten Phase wird Hygiene kein Wettbewerbsfaktor mehr sein, weil das erreichte Qualitätsniveau selbstver- ständlich ist. Was müsste sich bezüglich der Kranken- haushygiene, wenn Sie morgen früh ein Sana Klinikum betreten, ganz konkret geändert haben, um von einem Hygiene­ fortschritt zu sprechen? Prof. Geiss: Hygiene ist ganz einfach: Ich möchte erreichen, dass jeder ärztliche und nicht ärztliche Mitarbeiter jeden Patienten so behandelt, was die Hygiene betrifft, wie er gerne selbst behandelt werden würde. Wenn man das erreicht, funktio- niert die Hygiene. Dr. Philippi: Ich würde gerne Ärzte, Pflegekräfte und Patienten sehen, die sich untereinander den Rat geben, auf Hygiene zu achten. Ein Patient, der eine Schwester darauf hinweist, sich die Hände zu desinfizieren. EinArzt, der einem Patienten Tipps für die Desinfektion im Sanitärbereich gibt. Oder eine Schwester, die einen Arzt auf das unhygie- nische Tragen eines Kittels im Cafeteriabereich hinweist. Wechselseitige Erziehung einschließ- lich des Patienten. In guten Hotels können Sie Ähnliches beobachten. Alle Mitarbeiter sind achtsam. Info: Mehr zum hygienischen Krankenhaus auf Seite 31 ff.

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