Sana Blaubuch

Das Wort «Antibiotika» kommt aus demGriechi- schen und bedeutet «gegen Lebendes». Gemeint sind damit natürlich vorkommende oder synthetisch hergestellte Substanzen, die das Wachstum von Bakterien hemmen oder sie abtöten. Schimmel- pilze zum Beispiel produzieren zur Abwehr von Bakterien Penicillin— jenesAntibiotikum, das als erstes für therapeutische Zwecke entdeckt wurde. Heute sind Antibiotika weltweit die am meisten verschriebenen Medikamente. Das Erfolgsge- heimnis dieser Mittel: Ihre Wirkstoffe greifen im Gegensatz zu vielen anderen Bakterienkillern nur dort an, wo sich bakterielle Zellen von menschli- chen unterscheiden. So hemmen Antibiotika etwa den Aufbau der schützenden Bakterien-Zellwand. Oder sie grei- fen in die Proteinproduktion der Bakterien ein und bringen die Keime damit zum Absterben. Auf diesen Grundlagen wurde ein breites Spektrum vonAntibiotika entwickelt, die gezielt gegen Bak- terien wirken, ohne die menschlichen Zellen zu schädigen. Gefahr im Verzug Bei der Bekämpfung von bakteriellen Infektionen sind Antibiotika die stärkste und oft die einzige lebensrettende Waffe. Das Problem ist nur, dass diese Waffe immer stumpfer wird. Denn jede Antibiotikatherapie produziert Resistenzen. Je häufiger Bakterien mit Antibiotika in Kontakt kom- men, desto öfter kommt es zu Mutationen, die sie widerstandsfähig gegen die Wirkung dieser Mittel machen. In der Kritik steht deshalb der massenhafte Antibiotikaeinsatz in der Viehwirtschaft. Aber auch in der Humanmedizin werden Antibiotika immer noch unnötig und unbedacht verordnet. Zu niedrig dosierte oder zu lang gegebene An- tibiotikagaben etwa fördern die Bildung von Re- sistenzen, ebenso wie die völlig sinnlosen, aber immer noch gängigenAntibiotikatherapien gegen Viruserkrankungen. Auch der rezeptfreie Verkauf von Antibiotika in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Indien führt zum Anstieg von Re- sistenzen. Im Sommer 2014 hat die Weltgesundheitsor- ganisation eindringlich vor der voranschreitenden Zunahme von resistenten Bakterienstämmen gewarnt. «Das Problem ist so ernst, dass es die Errungenschaften der modernen Medizin bedroht», heißt es dort. Gegen diese Gefahr hilft nur eine Strategie: der zurückhaltende, wohlüberlegte und sorgfältige Einsatz von Antibiotika. Stellhebel gegen Resistenzen Um auf diesemWeg ein gutes Stück voranzuge- hen, schulen sich Ärzte und Apotheker der Sana Kliniken im Rahmen der Fortbildung «Antibiotic Stewardship», kurzABS. Dabei erhalten sie pro- fundes Wissen über Antibiotikatherapien, über die Entstehung von Resistenzen und über Strategien zu deren Eindämmung. Einer der Kursabsolventen ist Dr. Tobias Lange, Facharzt für Innere Medizin und als Oberarzt zu- ständig für die Intensivstation im Regio Klinikum Elmshorn. «Seit dieser Fortbildung bin ich sicher, dass der bewusste Einsatz von Antibiotika ein wirksamer Stellhebel gegen die globale Resistenz- problematik ist », so Lange. «Der klinische Bereich ist zwar nur das kleinste Glied der Kette, aber auch wir können und müssen handeln. » Zum Beispiel durch die Einführung einer mi- krobiologischen Visite, zu der sich ein Infektio- loge, ein Mikrobiologe, der Klinikapotheker und A N T I B I O T I C S T EWA R D S H I P M I N I M I E R E N 19 inf.: Alexander Fleming Für die Entdeckung des Penicillins erhielt der schottische Bakteriologe 1945 den Nobelpreis. Schon damals warnte er aber vor dem unkon­ trollierten Gebrauch der Antibiotika und der Gefahr von Resistenzen. In der Humanmedizin ca. 700–800 Niederlande Deutschland Frankreich Griechenland davon stationär ca. 112 In der Tiermast 1.700 9,8 13,6 32,2 31,7 10,8 14,6 28,6 32,4 11,2 14,5 28,2 39,4 fig. b.: Jährlicher Antibiotikaeinsatz in Deutschland (in Tonnen) fig. a.: Entwicklung des Antibiotikaverbrauchs in europäischen Ländern (Verschriebene Tagesdosen pro 1.000 Einwohner) Antibiotika weltweit Zu viel des Guten 2000 2007 2011

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