Rummelsberg

Knapp 120 Fachärzte und niedergelassene Orthopäden kamen

Orthopädentag stieß auf großes Interesse

Traditionell lud Prof. Dr. Richard Stangl zum Jahresanfang zum Orthopädentag nach Rummelsberg ein – und traditionell stieß die Veranstaltung auf großes Interesse. Knapp 120 Fachärzte und niedergelassen Orthopäden folgten der Einladung. (Foto: Uwe Niklas)

Rummelsberg. Traditionell lud Prof. Dr. Richard Stangl zum Jahresanfang zum Orthopädentag nach Rummelsberg ein – und traditionell stieß die Veranstaltung auf großes Interesse. Knapp 120 Fachärzte und niedergelassene Orthopäden kamen, um sich den Themen und Entwicklungen rund um den Erhalt der Mobilität und der Beweglichkeit zu widmen. Die große Unbekannte, die alle Orthopäden und Unfallchirurgen dabei vereinte, bleibt die Gesundheitspolitik, wo niemand weiß, welche Änderungen sowohl auf die niedergelassenen als auch auf die stationär tätigen Ärzte zukommen. Allgemein spürbar war dabei ein Bauchgrummeln bei allen Beteiligten.

„Bei den ganzen Irrungen und Wirrungen in der Gesundheitspolitik wollen wir Ärzte uns mit Medizin beschäftigen. Sich für die Patienten Zeit zunehmen ist viel wichtiger als die Diskussion um Zuckertabletten“, betonte Gastgeber Prof. Dr. Richard Stangl, der dabei auf Gesundheitsminister Lauterbachs Plan zur Streichung der Homöopathie als Kassenleistung einging. Frank Stauch, Geschäftsführer am Krankenhaus Rummelsberg, stieß ins gleiche Horn: „Die Reduzierung der Fallpauschalen und Schaffung eines Vorhaltebudgets für Leistungsgruppen, welche durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege künftig zugewiesen werden, sind zentrale Punkte, die kommen werden“. Durch die zunehmende Ambulantisierung baue das Krankenhaus mit der Tochter MVZ Rummelsberg GmbH sein ambulantes Netzwerk weiter aus. 30 KV-Sitze und 46 Ärzte seien an 10 Standorten in der Region tätig. Die gute Nachricht für Rummelsberg: Trotz aller Reformen werde das orthopädisch-unfallchirurgische Spektrum auch nach der Krankenhausstrukturreform vor Ort in Rummelsberg in vollem Umfang erhalten bleiben. Die Anzahl der orthopädisch-unfallchirurgischen Fälle konnte auch im Jahr 2023 wieder auf nunmehr 7414 Fälle gesteigert werden.

Klare Linie seitens der Politik fehlt

Dr. Stefan Klug, der stellvertretende Landesvorsitzende Bayerns des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie, sieht Deutschland und speziell die Medizin hierzulande in „unruhigen Zeiten“. „Während die Bauern demonstrieren, die Lokführer streiken, kämpfen wir in der Medizin mit den Unzulänglichkeiten. Die Kosten laufen davon und die Preise unserer Leistungen werden nicht von uns gemacht“, so Klug, der eine klare Linie seitens der Politik vermisst. „Warum sollen Fachärzte unter Budgetierung arbeiten und für Hausärzte soll diese Budgetierung aufhoben werden?“, stellte er die zentrale Frage und sprach dabei den über 120 Teilnehmern aus der Seele. Allein in der orthopädischen Fachgruppe würden nur 83 Prozent der behandelten Fälle vergütet werden, der Rest bleibe unvergütet.

In Anbetracht der demografischen Entwicklung und der Notwendigkeit, möglichst lange selbstständig zu bleiben, beschäftigten sich die Referenten mit dem Erhalt der Mobilität und der Beweglichkeit über alle Altersgruppen hinweg. Dr. Michael Wachowsky thematisierte die neurogene Hüftluxation bei Kindern und Jugendlichen. Dabei gelte es, die sogenannten Risikohüften früh zu identifizieren, zu überwachen und rechtzeitig eine Therapie einzuleiten – auch wenn die betroffenen Kinder noch keine Schmerzen hätten. „Durch diese Eingriffe im Kindesalter verhindern wird größere Operationen im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter. Wachowsky habe Verständnis dafür, dass dies schwer  zu greifen sei – vor allem bei den Eltern der Kinder, da sich die Schmerzen erst später bemerkbar machen würden.

Spezieller Hüftzugang ermöglicht rasche Mobilisation

Prof. Dr. Dr. Wolf Drescher stellte den anatomischen Hüftzugang und die damit verbundenen Vorteile dar. Allein beim klassischen Zugang würden Muskeln durchtrennt und mehr Analgetika verbraucht werden – zudem würden diese Patienten viel mehr Schmerzen haben. Mit seinem praktizierten Zugang bleibt die Anatomie erhalten und eine sofortige Mobilisation ist ohne Einschränkungen möglich. Sein Vorgehen im OP stellte Drescher den niedergelassenen Ärzten detailliert vor. Allein 2500-mal habe er diesen Zugang bereits umgesetzt. Drescher betonte abschließend: „Ich warne aufgrund des fehlenden Settings und Fachkräftemangels hierzulande davor auch diese Leistung zu ambulantisieren. Der Schritt wäre fahrlässig, da die Patienten dann ins Leere fallen und Komplikationen und Luxationen vorprogrammiert sind.“

Dr. Alfred Tylla stellte die neuesten Erkenntnisse zum Maltracking an der Kniescheibe vor. Das Wort bezeichnet den Vorgang, wenn die Kniescheibe nicht richtig über den Oberschenkelknochen gleitet. Tylla stellte einen umfassenden Algorithmus zur Behandlung der Kniescheibenverrenkung vor. Sowohl eine knöcherne Deformitätenanalyse als auch Weichteilkorrekturen wurden analytisch beleuchtet. „Das Ziel dabei ist die Reluxationsrate, also das erneute Herausspringen der Kniescheibe, zu verhindern“, so Tylla. Ein vorgestellter Score differenziert zwischen operativen oder konservativen Maßnahmen.

PD Dr. Lars Eden sah das ähnlich – speziell im Bereich der Schulter, wenn die Supraspinatussehne defekt sei. Es gäbe gelenkerhaltene arthroskopische Operationsmöglichkeiten, wie das Einsetzen eines Ballons unter das Schulterdach, aber: „Die Länge der Sehne, der Anteil der Verfettung des Muskels und das Alter – und auch der Anspruch des Patienten spielen eine zentrale Rolle. Wenn die Supraspinatussehne nicht mehr rekonstruierbar ist, bleibt nur noch die inverse Prothese. Speziell bei der Schulter sei ein differenziertes Vorgehen zwingend notwendig. „Wir operieren keine MRT- und Röntgenbilder. Die Herausforderung für den Schulterchirurgen ist es abzuwägen, ob die Rekonstruktion sinnvoll ist oder nicht“, so Eden.

Besonderes Konzept beim diabetischen Fuß

Nach der Industrieausstellung stellte Prof. Dr. Martinus Richter sein Behandlungskonzept des Diabetischen Fußes vor. Bei seinem Konzept werden die Wunden erst von Keimen befreit und stark geschädigtes Gewebe entfernt. Wenn alles keimfrei ist, erfolgt der Verschluss und die Entlastung des Fußes. Das Besondere bei seinem Konzept: Als zusätzlicher Schritt wird die Ursache für die Wunden beseitigt, indem die Deformität im Fuß durch einen operativen Eingriff behoben wird. „Dadurch wird eine nachhaltige Sanierung des diabetischen Fußes gewährleistet. Langzeitstudien zeigen, dass so eine Amputation in den meisten Fällen vermieden werden kann“, so Richter. Wichtig sei vor allem die Diagnostik im Stehen und unter Belastung, da sich die Winkel im Liegen verändern und der Operateur sonst fehlerhafte Werte bekomme.

Hüftschaft hielt 45 Jahre

Dr. Erwin Lenz gab den Zuhörern einen Abriss über die Werkstoffe in der Hüftendoprothetik – sowohl über die Historie und die Gegenwart als auch was in der Zukunft möglich sein wird. Dabei wartete er mit einem ausgebauten Hüftschaft auf, welchen er kürzlich bei einem Patienten herausgebaut und der 45 (!) Jahre gehalten hat. „Auch so etwas kommt vor“, so der Mediziner. Allein die Wahl des Knochenzements kombiniert mit der richtigen Prothesenwahl sei eine Wissenschaft für sich, wo es diverse Kombinationen gebe. Eine möglichst lange Verarbeitungszeit, gepaart mit einer schnellen Aushärtung sei entscheidend – aber auch die geringe Blasenbildung sei extrem wichtig, da diese sonst die Tragezeit erheblich schmälern würden. Die Zukunft wird dem Faser-Verbund-Werkstoff gehören und auch metallfreie Hüftgelenk könnte es geben. Eine Hüftprothese aus Kohlenstoff-Fasern mit Keramikkopf sei schon verbaut worden.

PD Dr. Uwe Vieweg widmete sich dem Stigma Adipositas. Dies wiege schwer sowohl für die Betroffenen als auch in der medizinischen Behandlung. Es sei wichtig auf die Hauptdiagnose abzuzielen und eine Indikation zur OP kritisch zu hinterfragen. Hier habe ein Wandel zu früheren Zeiten stattgefunden. „Es ist kritisch zu sehen, wenn der eine Operateur diese Patienten operiert und der andere nicht“, so Vieweg, schließlich sei die Weiterversorgung oft nicht im Vorfeld geklärt.

Schulter: Auf den Zugang und die Kunst des Chirurgen kommt es an

Prof. Dr. Richard Stangl reihte sich auch als Vortragender ein und stellte fest, dass die Indikation für inverse Schulterprothesen zunimmt. Allein im australischen Register sei eine Steigerung von 18 Prozent pro Jahr festzustellen. „Gute Ergebnisse erfordern eine kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen OP-Zugängen, um die Prothese minimalinvasiv unter Erhalt des Muskulus subscapularis zu implantieren“, so Stangl. Allein in Deutschland seien die minimalinvasiven Zugänge an der Schulter mit 4 Prozent sehr gering verbreitet, wohingegen in Rummelsberg 36 Prozent der schulterprothetischen Eingriffe minimalinvasiv durchgeführt werden. „Der Erhalt des Muskulus subscapularis bei der Implantation verspricht niedrigere Komplikationsraten. Am Krankenhaus Rummelsberg haben wir im Beobachtungszeitraum von fünf Jahren eine Komplikationsrate von 0,3 Prozent, während im deutschen Schulterprothesenregister die Komplikationsrate im gleichen Zeitraum bei 2,7 Prozent liegt“, betonte Stangl.

Einsatz von Robotern: Vorteile da, Langzeitergebnisse fehlen

Den Abschluss der Vortragenden bildete Prof. Dr. Marcel Betsch (Uni Erlangen), der die Robotik in der Knieendoprothetik vorstellte. Das Ziel sei es, die Fehlerquellen zu reduzieren. Schließlich seien über alle Knie-TEPs hinweg bis zu 20 Prozent unzufrieden. „Selbst wenn es nur 10 Prozent sind, sind wir hier zum Handeln gefordert“, so Betsch. Kleinere Hautschnitte, erhöhte Präzision, schnellere Reha, schnellere Rückkehr zur Arbeit und eine kürzere Liegezeit seien künftig damit möglich. Allerdings müssen sich die Langzeitdaten noch beweisen. Die Erfahrung des Operateurs spiele eine wichtige Rolle. Wenn es beispielsweise um das Einsetzen einer Schlittenprothese gehe, trage der Roboter dazu bei, die Revisionsrate zu senken. Aber Betsch betonte auch: „Die Robotik macht nur Sinn, wenn der Operateur auch konventionell in der Lage ist, Kniegelenke einzusetzen. Zudem muss hinterfragt werden, ob die Robotik bei jedem Patienten bzw. Eingriff Sinn macht.“ Bis der Operateur mit dem Roboter fit sei, brauche es 10 bis 12 Operationen damit. Bereits jetzt lasse sich feststellen, dass es damit weniger radiologische Fehllagen und bessere kurzfristige klinische Ergebnisse gebe. Allerdings sei die Krux auch, den Roboter wirtschaftlich zu betreiben. Schließlich sei die Anschaffung sehr kostenintensiv.

Am Ende des Orthopädentages stand der gemeinsame Austausch und eine Industrieausstellung. Alle Beteiligten waren sich sicher, dass es in der Gesundheitspolitik auch 2024 nicht langweilig werden würde. Der Mensch sollte nur wieder mehr in den Vordergrund rücken.

Krankenhaus Rummelsberg GmbH
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