Borna

Gewitter im Kopf

Autofahren mit Epilepsie

»Autofahrer erleidet Epilepsie-Anfall», »Drei Jahre Haft für Epileptiker nach Verkehrsunfall«, »SUV-Unfall nach epileptischem Anfall« – immer wieder liest man von tragischen Verkehrsunfällen, deren Ursache ein epileptischer Anfall war. Epilepsie gilt als eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Wann kann das zur Gefahr auch für andere werden? Wie groß ist das Risiko bei der Teilnahme am Straßenverkehr? Zum Europäischen Tag der Epilepsie am 14.02. haben wir beim Bornaer Neurologie-Chefarzt Dr. Alexander Reinshagen nachgefragt.

Dürfen Menschen mit Epilepsie überhaupt Auto fahren?
Reinshagen: Das regelt die Leitlinie der Bundesanstalt für Straßenwesen relativ eindeutig. Grundsätzlich gilt: Wer epileptische Anfälle, aber auch jedwede andere Art akuter Beeinträchtigung des Bewusstseins, der Motorik oder anderer handlungsrelevanter Funktionen erleidet, ist in der Regel nicht in der Lage, ein KFZ zu führen, solange ein Risiko für erneute Anfälle besteht. Bereits nach einem einmaligen epileptischen Anfall oder einer anderweitigen Störung des Bewusstseins (»Synkope«) tritt zunächst ein Fahrverbot in Kraft. 

Was ist das Schwierige daran?
Für viele Menschen ist das Autofahren fester Bestandteil ihres Alltags. Der Führerschein bedeutet – gerade im ländlichen Bereich – unabhängige Mobilität und ist für die Tagesplanung vieler Menschen essenziell: die Fahrt zur Arbeit, schlimmer noch, wenn das Führen von KFZ die eigentliche Arbeit ist, zum Einkaufen, zu Arztterminen oder zum Kindersport. Daher ist ein Fahrverbot bei Epilepsie für viele nach der Diagnose häufig das einschneidendere Ereignis. Zumal die Betroffenen selbst häufig gar keine Erinnerung an die Dramatik eines großen epileptischen Anfalls haben, ihre Erinnerung häufig erst im Krankenhaus einsetzt.

Warum überhaupt ein Fahrverbot?
Ein epileptischer Anfall kann beim Autofahren zu schweren Verkehrsunfällen führen, nicht nur, dass man selbst verunfallen kann, man kann ganze Menschengruppen in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb sieht der Gesetzgeber ein Fahrverbot vor. Zum Glück sind aber, da sich die meisten Menschen mit Epilepsie an diese Regeln halten, Verkehrsunfälle bei Menschen mit Epilepsie deutlich seltener als z. B. unter Alkoholeinfluss. Für die Beurteilung der Fahreignung und deren Dauer sind auch nach einem einmaligen Anfall bzw. einer ersten Bewusstlosigkeit Untersuchungen beim behandelnden Facharzt nötig. Dieser klärt die Betroffenen über die Dauer der Fahruntüchtigkeit auf, es wird zwischen sog. Gelegenheitsanfällen, die etwa fünf Prozent der Bevölkerung erleiden und einer beginnenden Epilepsie, die ca. 0,5 Prozent der Bevölkerung haben, unterschieden. Wenn ein Mensch mit gesicherter Epilepsie über ein Jahr, in aller Regel unter Einnahme sog. Antikonvulsiva, keinen Anfall mehr erlitten hat, darf er, wie jeder andere, wieder sein KFZ führen, nicht aber den beruflich zu fahrenden LKW. 

Epilepsie – was ist das eigentlich?
Einfach gesagt ist ein epileptischer Anfall ein vorübergehender Kurzschluss von Nervenzellen, der entweder Teilbereiche des Gehirns betreffen kann und z. B. kurze falsche Erinnerungen hervorruft, die Umwelt verändert erscheinen oder einen Arm zucken oder steif werden lässt oder auch das Sprechen für ein paar Minuten unmöglich macht. Erreicht dieses »Gewitter im Hirn« alle Nervenzellen, kommt es zum sog. großen tonisch-klonischen Anfall mit schwerster tonischer Anspannung und unkontrollierbaren Zuckungen. Egal, jede Art ist gefährlich und kann in die nächste Art von Anfällen übergehen und – gerade beim Autofahren – auch lebensbedrohlich werden. 

In welchem Alter tritt Epilepsie normalerweise auf?
Es gibt zwei Häufigkeitsgipfel: Bei Kindern bzw. Jugendlichen und im höheren Alter. In jungen Jahren sehen wir häufig Epilepsien, die eine genetische Grundlage haben. Im Alter ab 60 Jahren sprechen wir von der sog. ‚Altersepilepsie‘, die betreffenden können biologisch durchaus jung und tatkräftig sein, aber die Schutzfunktion der Isolierung der ca. 100 Mrd. Nervenzellen ist halt nicht bei allen für ein so langes Leben ausgelegt. Dazu kommen natürlich Schlaganfälle, Hirntumore oder andere Gehirnverletzungen, die Epilepsien auslösen können.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Medikamente sind die Standardbehandlung. Derzeit stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, die neueren Präparate haben aber kaum noch Nebenwirkungen. Sind Bewusstseinsstörungen aufgetreten, darf man zu seinem eigenen und dem Schutz anderer vorerst nicht selbst Auto fahren, sollte aber auch beim Baden im See vorsichtig sein. Wir klären nach dem ersten Anfall z. T. sogar über die Gefahr des Badens in der Badewanne auf. Auch auf‘s Dach, z. B. bei Ausbesserungsarbeiten, sollte man nicht steigen. Eine epileptische Bewusstseinsstörung tritt in aller Regel ohne jede Ankündigung auf. Generell kann man aber mit einer gut eingestellten Altersepilepsie durchaus 100 Jahre alt werden.
 

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