Borna/Zwenkau

Pflegedienstleiterin Cornelia Reichardt im Interview

Voll engagiert und nah am Menschen

Kaum ein Gesundheitsthema erregt regelmäßig so viel Aufmerksamkeit wie die Zukunft der Krankenpflege. Pflegedienstleiterin Cornelia Reichardt erläutert, was sie und ihr Team dafür tun, das die Menschen aus dem Landkreis Leipzig im Krankenhaus und danach gut versorgt sind. Auch im Hinblick auf Patienten mit Demenz. 

Waschen, füttern, umdrehen – so lautet ein bekanntes Klischee über den Pflegeberuf. Ist das noch zeitgemäß?
Reichardt:
Natürlich gehört die Grundpflege wie das Reichen der Nahrung und die Körperpflege noch immer zu den täglichen Aufgaben einer Pflegekraft. Aber die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren doch stark gewandelt. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Medizin hat den Pflegeberuf verändert. So assistieren Fachpflegekräfte im Rahmen einer hochspezialisierten Behandlungspflege bei der Schmerztherapie, beraten Diabetiker, versorgen Wunden, bieten Ernährungsberatung an, helfen Patienten mit Kontinenzproblemen und vieles mehr – und das alles tun sie nach dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis.

Was heißt das für die Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
Wir setzen hier ganz klar auf eine fachliche Zusatzqualifikation der Kollegen. Mit der fachlichen Weiterentwicklung sind auch die Anforderungen an die Pflegediagnostik und Dokumentation gestiegen. Pflegekräfte erfassen den Ernährungszustand ihrer Patienten, die Fähigkeit zur Selbstständigkeit, das Sturz- und Dekubitusrisiko und andere Kriterien. Sie leiten aus ihren Befunden pflegerische Maßnahmen ab und dokumentieren ihre Arbeit. Die Dokumentation kostet Zeit, keine Frage, aber sie bewirkt auch, dass wir uns stärker Gedanken darüber machen, was qualitativ gut ist oder welche Prozesse noch optimiert werden können.

Was macht gute Pflege aus?
Gute Pflege ist vernetzte Pflege, sie endet nicht an den Klinikpforten. Eines unser wichtigsten Anliegen ist die starke Vernetzung  in die Region. Dafür bieten wir als Klinik gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der externen stationären und ambulanten Einrichtungen – wie Pflege-dienste und Pflegeheime – Workshops und Weiterbildungen an. Erste Ergebnisse dieser Pflegenetzwerktreffen  sind bereits sichtbar. So wurde der Bogen für die Pflegeüberleitung gemeinsam überarbeitet. In diesen Bögen  sind wichtige Informationen wie Gewicht, letzte Ernährung und Medikation für die externen Pflegekräfte vermerkt,  die den Patienten nach dem stationären Aufenthalt weiter betreuen. Mit der Pflegeüberleitung stellen wir sicher, dass der Patient nach der Klinik nahtlos entsprechend seiner Pflegebedürfnisse weiter betreut wird.

Schlägt sich das auch in der Ausbildung nieder?
Ja. die Dozentinnen und Dozenten der Medizinischen Berufsfachschule Borna werden am 1. September 2018 die ersten Auszubildenden in der generalisierten Pflegeausbildung begrüßen. Kurz gesagt sollen die zukünftigen Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner befähigt werden, nach ihrer Ausbildung in allen Bereichen der Pflege tätig zu sein: von der Säuglingsstation über die verschiedenen Abteilungen einer Akutklinik bis zur Pflege chronisch kranker Menschen in einem Altenpflegeheim.

Klingt nach einer kräftigen Umstrukturierung…
Diese Entwicklung ist eine Konsequenz aus der weiter fortschreitenden Spezifizierung der Medizin Die generalisierte Pflegeausbildung wird sich stark auf die pflegerischen Tätigkeiten konzentrieren. Dafür werden Inhalte, die nicht notwendigerweise Teil der Pflege sind, wie zum Beispiel die Funktionsdiagnostik oder die OP-Assistenz, in die Weiterbildung nach der abgeschlossenen Berufsausbildung verlagert.

Was sind Herausforderungen für die Zukunft?
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird weiter steigen. Die Qualifizierung des Personals wird immer mehr auf Spezialisierung hinauslaufen. Wir werden nicht mehr so selbstverständlich wie heute auf die Pflege durch Angehörige setzen können: Es gibt immer weniger Angehörige, insbesondere Kinder, die Bedürftige pflegen können. Wir werden neue Wege in der Unterstützung von Bedürftigen – insbesondere von Demenzkranken – gehen müssen. Dazu wollen wir noch in diesem Jahr ein Projekt auf den Weg bringen: das demenzsensible Krankenhaus.

Was ist darunter zu verstehen?
In Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und den Chefärzten der einzelnen Kliniken soll das gesamte Klinikpersonal bis hin zu den Reinigungskräften im Umgang mit Patienten geschult werden, die unter einem chronischen Abbau geistiger Fähigkeiten leiden.

Warum ist da so wichtig?
Wir werden in Zukunft mit einem erhöhten Patientenaufkommen mit der Begleitdiagnose Demenz konfrontiert sein. Noch sind jedoch die Abläufe und Routinen in unseren Häusern nicht optimal auf die besonderen Anforderungen dieser Menschen ausgerichtet. Eine Verbesserung der Versorgung dieser Patientengruppe ist jedoch dringend nötig, denn im Vergleich zu gleichaltrigen Patientinnen und Patienten ohne kognitive Störungen haben Demenzerkrankte ein sehr viel höheres Risiko, durch einen Krankenhausaufenthalt an Lebensqualität und Selbständigkeit zu verlieren. Krankenhäuser sind für sie eine belastende Umgebung. Sie können sich dort schlecht orientieren, haben ihre vertrauten Bezugspersonen nicht um sich und verstehen die Handlungsabläufe nicht. Viele der Betroffenen reagieren darauf mit Angst und Abwehr.

Was heißt das für die Pflege?
Für unser Personal sind demenzkranke Patienten oft eine besondere Herausforderung. Ein einfühlsamer Umgang mit ihnen erfordert viel Zeit, es besteht hoher Abstimmungsbedarf mit Angehörigen oder Betreuern sowie eine Wissensbasis zum Verhalten Demenzkranker.  

Janet Schütze
Tel.: 03433 21-1075
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