Wismar

Oberärztin Dr. med. Sylvia Sultansei baut Schmerztherapie im Sana HANSE-Klinikum Wismar auf

Wie kommt es dazu?

Es gab am Wismarer Krankenhaus schon einmal eine stationäre Schmerztherapie, die bauen wir nun wieder mit erst vier, später acht Betten auf. Ich erfahre dabei wirklich sehr viel Unterstützung vom Krankenhaus und den Kolleginnen und Kollegen. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist.

Wieso ist das Thema chronische Schmerzen wichtig?

Menschen mit chronischen Schmerzen ziehen sich sehr oft mehr und mehr aus dem sozialen Leben zurück. Sie treffen sich häufig nicht mehr mit Freunden, weil sie beispielsweise vor Schmerzen nicht mehr lange sitzen oder stehen können. Und dann kommt irgendwann der Moment, wo diese Menschen vor Schmerzen morgens nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Der Schmerz bestimmt das ganze Leben. Zirka 23 Millionen Menschen in Deutschland leben mit chronischen Schmerzen, in 95 Prozent der Fälle sind es keine Turmorschmerzen. Sechs Millionen davon sind durch die Schmerzen erheblich beeinträchtigt und 2,2 Millionen Menschen haben durch die Schmerzen psychische Probleme wie Angststörungen oder Depressionen. Bei Patienten mit Depressionen wiederum können auch Schmerzen  auftreten. Zusätzlich sind Schlafstörungen sehr häufig. Patienten mit chronischen Schmerzen haben sehr starke Einbußen in ihrer Lebensqualität. Eigentlich sind Schmerzen ja etwas Gutes. Sie sind ein Warnsignal des Körpers, um uns vor Verletzungen zu schützen oder  Störungen im Körper zu erkennen. Aber wenn der Schmerz sich verselbstständigt und diese Warnfunktion längst abgelegt hat, spricht man von einer Schmerzerkrankung – die  kann schon nach drei bis sechs Monaten  durchgehend bestehender  Schmerzen entstehen. Nicht nur die Zeitdauer spielt eine Rolle - das ist auch abhängig von der Art und der Stärke des Schmerzes. Um so wichtiger ist es, bei Schmerzen zeitnah zum Arzt zu gehen, um die Ursache zu suchen und zu behandeln, die akuten Schmerzen bald  zu nehmen und damit eine Verselbständigung des Schmerzes zu verhindern. Leider gehen wir Mecklenburger ja eher zu spät zum Arzt!

Sie sind Mecklenburgerin?

Ja, ich bin in Malchin aufgewachsen, habe in Rostock studiert und dann in Frankfurt/Oder und Eisenhüttenstadt  gearbeitet. Aus familiären Gründen – eine tolle kleine Enkelin – wollten wir zurück nach Mecklenburg-Vorpommern und wurden hier sehr herzlich empfangen.

Wieso stationär, sprich im Krankenhaus und nicht teilstationär oder ambulant?

Alle Bereiche sind wichtig. Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner. Bevor stationär behandelt wird, sollte immer eine intensive ambulante Behandlung  erfolgt sein – beim Hausarzt, entsprechenden Fachärzten oder ambulanten Schmerztherapeuten – Notfälle natürlich ausgenommen. Wenn die ambulante Therapie nicht (mehr) hilft und die Schmerzen trotz vieler Therapieversuche stark zunehmen, ist die stationäre Therapie ein ergänzendes Angebot.

Dabei ist ein in der Zeiteinheit  intensiveres Behandlungsprogramm  und die nötige Betreuung  nach bestimmten invasiven Therapien  möglich. Die Menschen kommen aus ihrer Häuslichkeit heraus in eine Gruppe mit Menschen, denen es genauso geht. Sie haben zwar unterschiedliche Schmerzen, aber sie erfahren in der Gruppe Verständnis für die Situation und die Schmerzen, das ist im häuslichen Umfeld nicht immer so. Auch das Team und das gute Teamklima sind heilsam.

Zum Team gehören neben mir als ärztliche Schmerztherapeutin eine speziell ausgebildete Schwester, Physiotherapeuten und eine psychologische Psychotherapeutin für die seelische Seite.

Ärztlich und physiotherapeutisch werden individuelle und Gruppentherapien   kombiniert, je nach Schmerzproblem und Begleiterkrankungen.. Ich bin sehr froh, dass wir zum Beispiel QiGong anbieten können, eine chinesische Meditations-, Konzentrations- und Bewegungsform mit Blick auf die Atemtechnik.

Bei der Psychotherapeutin geht es um das Erlernen von Schmerzbewältigungstechniken, den Umgang  mit Schlafstörungen und Stress. Dazu kommen Ergo- und Kunsttherapeuten, Musik und ein Hund.

Ein Hund?

Ja, ein speziell ausgebildeter Therapiehund, der uns einmal die Woche auf der Station besuchen wird, zu einem  gemeinsamen Spaziergang.  Die schmerzlindernde Wirkung wird hier unter anderem über Hormone erzielt. Der positiv erlebte Kontakt zum  Hund reduziert die Stresshormone und lässt Glückshormone ausschütten. Manch einem Schmerzpatienten hat ein eigener Hund schon zurück ins soziale Leben geholfen. Gerade wenn man so weit ist, morgens vor Schmerzen nicht mehr aufstehen zu wollen. Mit Hund muss man aufstehen und hat auch wieder beim Spaziergang Kontakt zu anderen Menschen und Hundehaltern. Das ist gut für die Seele, aber in der Schmerztherapie nur ein kleiner Baustein.

Welche Rolle spielen Medikamente?

Oft werden die Patienten bei der Aufnahme erst einmal medikamentös ein- oder umgestellt oder brauchen nach langen Jahren mit Schmerzmitteln eine Entzugsbehandlung von den Medikamenten, die nicht mehr helfen. Unsere erste Aufgabe auf Station ist es immer erst einmal, den aktuellen Schmerz zu behandeln. Dann gucken wir weiter und tiefer. Mit dem Patienten wird ein gemeinsames Therapieziel besprochen, das auch erreichbar erscheint. Oft ist das natürlich eine Schmerzlinderung, aber auch die Verbesserung der Beweglichkeit und Funktionalität. Ganz wichtig ist die Selbstbestimmtheit im Umgang mit dem Schmerz. Der Patient lernt viel bei uns, was gegen den Schmerz hilft – in regelmäßiger Anwendung oder auch im Akutfall.  Wir arbeiten mit vielen Ansätzen aus der Natur. Zum Beispiel Pfefferminzöl gegen Kopfschmerzen, Wechselfußbäder am Abend mit Lavendelöl zur Entspannung. Und wir sind immer offen für neue Impulse und therapeutische Ansätze.

Welche Rolle spielt die seelische Seite bei Schmerzen?

Eine große. Wenn körperliche Ursachen ausgeschlossen werden können, müssen wir nach der Seele im Sinne der Psyche gucken. Es gibt neben den körperlichen weitere Faktoren für die Entstehung lang anhaltender, starker Schmerzen, beispielsweise Stress. Das müssen wir heraus finden und mit behandeln, sonst kommt der Schmerz immer wieder. Chronische Schmerzen sollten immer ganzheitlich behandelt werden!

Wann und wie geht es für die Patienten mit chronischen Schmerzen auf Station los?

Am 31. August kommen die ersten Patienten. Wir haben zwei Zimmer mit je zwei Betten auf der psychosomatischen Station und können die Therapie- und Untersuchungsräume dort nutzen.

Die Patienten kommen meist durch ihren Facharzt zu uns. Eine ambulante Vorbehandlung muss  bereits erfolgt sein. Die Patienten bekommen vor der Untersuchung  einen umfangreichen Schmerzfragebogen, den sie zum ersten Vorgesprächstermin ausgefüllt mitbringen. Hier erfolgt eine ausführliche Befragung und gegebenenfalls eine kurze Untersuchung. Der Schmerzfragebogen wird zusammen mit allen vorhandenen Befunden ausgewertet.

Im Ergebnis wird vom Arzt die  Indikation (Aufnahmeberechtigung) zu einer stationären multimodalen Schmerztherapie gestellt oder  - falls nicht - ein anderer Verfahrensweg vorgeschlagen. Wenn ja, kommt der Patient noch ein zweites Mal vor der eigentlichen Aufnahme zur großen Voruntersuchung (Assessment) durch das ganze Team. Diese dauert zirka einen halben Tag. 

Die ärztliche  Ganzkörperuntersuchung erfolgt  nun sehr gründlich – gemeinsam mit der Physiotherapeutin. Die Patienten sagen manchmal, so genau wurden sie noch nie untersucht. Außerdem finden mehrere Gespräche statt.  Selbst wenn noch kein Platz für den Patienten in der stationären Schmerztherapie ist, wird er über die Befunde informiert und bekommt erste Tipps und Hinweise, die ihm im Umgang mit den Schmerzen helfen können.

Sie arbeiten seit 18 Jahren in der Schmerztherapie. Kann man jedem Patienten mit chronischen Schmerzen helfen?

Sagen wir mal so: Unser Motto ist: „Es fällt uns immer was ein.“ und „Nichts Schmerzliches ist uns fremd“ Sicher kann man nicht allen Patienten so helfen, wie diese es sich wünschen, aber schon vielen. Die Erwartungen sind oft sehr hoch. Hier geht es um das Definieren realistischer Therapieziele.

Dann es ist unglaublich befriedigend, die Menschen bei erfolgreicher Therapie zu erleben. Ihre Dankbarkeit. Und es ist schwer auszuhalten, wenn man mal nicht helfen kann. Insbesondere wenn die seelischen Probleme zu groß sind.

Der Patient muss therapiebereit sein. Er muss mitmachen. Denn es ist ein langer Prozess. Mitunter ist es so, dass es am Ende der stationären Schmerztherapie noch keine ganz große Verbesserung gibt. Die Arbeit geht nach der Therapie weiter. Die Patienten werden mit einem ausführlichen Behandlungsbericht mit gezielten Empfehlungen  und vielen Tipps für die Eigenbewältigung zurück in die ambulante Behandlung entlassen.

Andrea Hoffmann | Leiterin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 03841 33-1196 | Mail andrea.hoffmann@sana.de  

Sana HANSE-Klinikum Wismar GmbH
Störtebekerstraße 6 | 23966 Wismar
www.sana.de/wismar