Borna

Morbus Parkinson

»Lassen Sie so früh wie möglich die Symptome abklären«

Dr. Alexander Reinshagen

Morbus Parkinson ist eine bisher unheilbare Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn fortschreitend zugrunde gehen und immer weniger des Botenstoffs Dopamin herstellen. Es kommt zu Zittern, Muskelsteifheit und Gangstörungen. In Deutschland leiden bis zu 400.00 Menschen an der zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung. Im Rahmen des weltweiten Parkinsontages sprachen wir mit dem Chefarzt der Klinik für Neurologie, Dr.  Alexander Reinshagen.
 

Morbus Parkinson gilt – nach der Demenz vom Alzheimer-Typ – als zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Wird die Anzahl der Betroffenen in den nächsten Jahren ansteigen?

Reinshagen: Bisher ist man davon ausgegangen, dass es mit älter werdender Bevölkerung auch mehr Parkinson-Betroffene geben wird. Jedoch gerade im letzten Jahr hat die Analyse einer großen Krankenkasse für Deutschland das Gegenteil annehmen lassen; wiederum wissen wir nicht, inwieweit Corona-Erkrankte, das SARS-CoV 2 kann auch das Gehirn unbemerkt befallen, perspektivisch mehr an neurodegenerativen Erkrankungen leiden werden.
 

Wie alt sind Parkinson-Patienten durchschnittlich?

Der überwiegende Teil der Betroffenen ist 60 Jahre oder älter, wenn wir die Krankheit feststellen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Krankheit sporadisch, das heißt ohne erkennbaren Auslöser, auftritt. Nur zu einem geringen Teil sind Parkinson-Erkrankungen auch genetisch bedingt. Dabei sind Veränderungen der Erbinformation Ursache der Erkrankung. Die erbliche Form tritt häufig schon vor dem 50. Lebensjahr auf.
 

Namensgeber der Krankheit ist der englische Arzt James Parkinson, auf dessen Geburtstag am 11. April der Welt-Parkinson-Tag fällt. Welche Symptome treten auf?

Die meisten Menschen bringen die gängigen Symptome, die Parkinson 1817 als »Schüttellähmung« beschrieb mit Parkinson in Verbindung: Zittern (Schütteln) – den »Tremor« und die zunehmende Steifigkeit und Minderbeweglichkeit (die »Lähmung« aus »Schüttel-Lähmung«). Doch da gibt es viel mehr: Als Frühsymptome können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns auftreten. Klassische Symptome sind dann eine Minderbeweglichkeit, meist auf einer Körperseite betont, damit verbunden eine leisere, monotone Stimme, das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen oder Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich. Die Betroffenen bemerken eine kleinere Handschrift. Zu den bekanntesten und im fortgeschrittenen Stadium sichtbar werdenden Symptomen gehören dann ein vornübergebeugter Gang, kleinere langsamere Schritte, Stürze, eine reduzierte Mimik.
 

Wie merken Betroffene, ob sie Parkinson haben? 

Wenn Sie solche Beschwerden bei sich oder Ihren Angehörigen bemerken, rate ich dazu, so früh wie möglich einen Neurologen aufzusuchen. Informationen zu neurologischen Erkrankungen in der Familie sind sehr hilfreich. Wenn eine Begleitperson mitkommt, die den Patienten gut kennt, kann der Arzt diese nach Verhalten, Stimmung, Stimme oder Beweglichkeit des Patienten in z. B. Stresssituationen fragen. Bei den Frühsymptomen ist gerade der Hinweis auf Schlafstörungen hilfreich: Im Parkinson-Frühstadium kann der Traumschlaf gestört sein. Die Patienten schreien im Schlaf, schlagen um sich und treten. Das fällt den (Ehe-)Partnern – zum Teil sogar schmerzhaft –  auf. Da über so etwas niemand gern spricht, weil man ja nicht weiß, dass dies zur Krankheit gehört, fragen die Neurologen dies aktiv nach.
 

Wie wird die Krankheit diagnostiziert?

Während man früher allein die oben genannte Bewegungsstörung im Vordergrund sah, ist inzwischen klar, dass ein Nachlassen der Stimmung (Dopamin ist auch Botenstoff im sog. Belohnungssystem), Schmerzen, Schlafstörungen und Störungen des vegetativen Nervensystems, wie Verstopfung und Riechstörung Frühsymptome der Erkrankung sind. Dies im Zusammenhang mit einem veränderten bzw. langsameren Gangbild, ggf. auch Stürzen, müssen an die Parkinson-Krankheit denken lassen. Neben dem klinischen Blick des erfahrenen Neurologen, der gemäß der aktuellen Leitlinie immer noch der wichtigste Diagnose-Schritt ist, gehören bildgebende und nuklearmedizinische Verfahren in Einzelfällen zur Diagnostik. Weiter werden Riechproben, Tests zur Veränderlichkeit der Herzfrequenz u.v.a.m. durchgeführt. Parkinson zu diagnostizieren ist eine klinische Einschätzung, den einen Marker für die Diagnose gibt es nicht.
 

Wenn die Diagnose steht: Wie reagieren Patienten?

Die Diagnose ist für viele Patienten und deren Angehörige zunächst erschreckend. Gleichzeitig sind viele jedoch erleichtert, da sie nun den Grund für Ihre Beschwerden kennen und auch Hilfe bekommen; die Chancen stehen heutzutage sehr gut, die Symptome gut behandeln zu können. Das ist umso mehr ein Grund, Symptome frühzeitig abklären zu lassen. Je früher und konsequenter mit einer Therapie begonnen wird, desto besser: Das erhöht die Lebensqualität und hilft, den Alltag besser zu meistern.
Auch gibt es ein parkinson-ähnliches Bild, den »Parkinson (nur) der unteren Körperhälfte« (zum Googlen: lower body parkinsonism), hier besteht dringliche neurologische Abklärung, weil diese Erkrankung sehr gut behandelbar ist. 
 

Welche Therapien sind empfehlenswert? 

In der Therapie des Morbus Parkinson ist seit über 40 Jahren das L-Dopa, ein Dopamin-Vorbote, bewährt. Weiter wurden Medikamente entwickelt, um L-Dopa für das Gehirn besser verfügbar zu machen oder dem Gehirn seine Anwesenheit vorzuspielen (Dopaminagonisten), diese Medikamente gibt es auch als Pflaster bzw. als Spritze. Gerade in den letzten beiden Jahren wurde die sog. Apomorphin-Pumpe, wobei das genannte Medikament in die Haut injiziert wird, und eine Pumpe, die das Medikament direkt in den Darm appliziert, weiterentwickelt, weiter gibt es die tiefe Hirnstimulation (der sog. »Hirnschrittmacher«). Für das Gros der Patienten sind jedoch die medikamentöse und vor allem die physiotherapeutische Betreuung die wichtigsten Pfeiler der Therapie. Hilfreich ist die so genannte BIG-Therapie beim Spezialisten, für den häuslichen Gebrauch halte ich regelmäßige Bewegungsübungen aller Art, auch mit Spielkonsolen, für unabdingbar, auch die Bewegungstherapie in der Gruppe mit Betroffenen. Wie einer meiner Parkinson-Patienten sagte, muß der Parkinson-Erkrankte jeden Tag Leistungssport betreiben, um körperlich relativ fit zu bleiben. Krankenhäuser, wie auch unsere Klinik, und Reha-Kliniken bieten weiter eine ca. dreiwöchige komplexe Betreuung zur langfristigen Linderung der Symptome an.
 

Was kann man selbst vorbeugend tun? 

Da der Morbus Parkinson leider noch nicht heilbar ist, rückt für viele natürlich die Frage in den Vordergrund, wie man sich selbst davor schützen kann. Es gibt zwar keine »ultimative« Parkinson-Vorsorge, dennoch können Sie mit moderater regelmäßiger Bewegung, der Vermeidung von negativem Stress sowie durch regelmäßige ärztliche Checkups durchaus Einfluss auf die Risikofaktoren der Erkrankung nehmen. Und wohl auch durch gesunde und abwechslungsreiche Ernährung. 
 

Inwiefern? 

Neue Studien zeigen, dass die sattsam bekannte mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, mit Ölen mit ungesättigten Fettsäuren, mit Fisch, mit Hülsenfrüchten und mit wenig Fleisch nicht nur Schlaganfällen, Herzinfarkten und Demenz vorbeugen, sondern auch den Verlauf von Morbus Parkinson verlangsamen und sogar das Risiko senken kann, überhaupt daran zu erkranken. Forschende gehen mittlerweile davon aus, dass Parkinson zumindest bei einem Teil der Menschen mit Veränderungen im Darm beginnt. Wir wissen, dass der Darm von Parkinsonpatienten verändert ist. Viele Betroffene klagen schon weit bevor sich die typischen Symptome zeigen, über Verdauungsprobleme wie z. B. starke Verstopfung. Auch die Zusammensetzung des Mikrobioms, also der Gemeinschaft der Darmbakterien, ist bei Menschen mit Morbus Parkinson verändert. Inwieweit eine Ernährungsumstellung helben kann, wird aktuell noch diskutiert. 
 

Das heißt konkret?

Wie so oft gilt: Essen Sie viel Gemüse, Vollkorn und sog. Polyphenole, z. B. aus Olivenöl, Grüntee und roten Beeren. Vermeiden sie weitestgehend Fertiggerichte, gesättigte Fette und zu viel Zucker. Wer auf Fleisch nicht verzichten mag, sollte zumindest auf weißes Fleisch setzen, also auf Geflügel statt Rind oder Schwein. Treiben Sie regelmäßig Sport, wie die WHO es empfiehlt – tun Sie etwas für Ihre Gesundheit.
 

Wo kann ich mich ggf. austauschen?

Möchten Sie sich austauschen über das Krankheitsbild, die damit verbundenen sozialen oder rechtlichen Probleme, sind Sie oder Ihre Angehörigen betroffen, scheuen Sie sich nicht, eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Region zu kontaktieren, für die Bornaer Selbsthilfegruppe stellen wir gern den Kontakt her.

 

Pressekontakt

Sana Kliniken Leipziger Land
Janet Schütze
Leitung Unternehmenskommunikation Region Sachsen
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