Medizinische Schwerpunkte

Verkrümmung und Fehlstellungen

Erkrankung, Symptome und Ursachen

Normalerweise hat die Wirbelsäule im seitlichen Profil eine Doppel-S-Form, der Kopf befindet sich über dem Kreuzbein. Im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule liegt eine Lordose vor, im Bereich der Brustwirbelsäule eine Kyphose.

In der Frontalansicht steht Wirbel auf Wirbel ohne Rotation (Verdrehung).

Es gibt sowohl angeborene Verkrümmungen der Wirbelsäule als auch degenerativ erworbene Deformitäten.

Skoliosen, deren Ursache unbekannt ist, werden als idiopathische Skoliosen (90%) bezeichnet, sonst handelt es sich bei bekannter Ursache um eine symptomatische oder sekundären Skoliose.

Angeborene Verkrümmungen (Deformitäten) der Wirbelsäule

Skoliose:

Die Skoliose ist die häufigste angeborene Deformität der Wirbelsäule. Die Skoliose ist eine Seitverbiegung der Wirbelsäule mit gleichzeitiger Rotation der Wirbel. Die Wirbelsäule macht bei der Skoliose meist mehrere, gegenläufige Ausbiegungen. Diese sind nötig, um das Körpergleichgewicht halten zu können (S-Form). Die Skoliose zählt zu den Wachstumsdeformitäten. Sie entsteht und verschlechtert sich deswegen oft während der Wachstumsschübe in der Pubertät.

Idiopathische Skoliose:

1. Infantile idiopathische Skoliose (IIS): Entstehung bis zum 3. Lebensjahr
2. Juvenile idiopathische Skoliose (JIS): Entstehung zwischen 4. und 10. Lebensjahr
3. Idiopathische Adoleszentenskoliose (AIS): Entstehung ab dem 11. Lebensjahr


Symptomatische Skoliose (sekundäre Skoliose):

Die verbleibenden 10 % der Skoliosen verteilen sich auf Ursachen wie Nerven- und Muskelerkrankungen (neuropathisch) und angeborene Wirbelfehlbildungen sowie andere Systemerkrankungen, werden aber auch durch eine banale Beinlängendifferenz verursacht.

Einteilung nach der Erscheinungsform:

Nach Lenke werden die Primärkrümmungen nach der Höhe ihres Scheitels (der Krümmungsmitte) benannt:

  • Hochthorakal: Krümmungsscheitel zwischen den Th2 und Th6
  • Thorakal: Krümmungsscheitel zwischen Th6 und der Bandscheibe Th11/12
  • Thorakolumbal: Krümmungsscheitel zwischen Th12 und L1
  • Lumbal: Krümmungsscheitel zwischen der Bandscheibe L1/2 und L4

Nach dem Krümmungsmuster unterscheidet man C-förmige, S-förmige und Doppel-S-Skoliosen.

Kyphose:

Die Kyphose kommt physiologisch an der Brustwirbelsäule vor. Verstärkt sich diese Kyphose, so spricht man von einer Hyperkyphose oder Rundrücken.
Mit dem Cobb-Winkel misst man die Kyphose. Der Normbereich beträgt 30-50°. Eine angeborene Kyphose tritt häufig bei Kindern mit Zerebralparese und anderen neurologischen Erkrankungen auf.

Degenerativ erworbene Skoliose und de-novo-Skoliose

Durch Verschleiß, Osteoporose, Wirbelbrüche, Bandscheibenerkrankungen, Rheuma, Morbus Bechterew, Morbus Scheuermann, Entzündungen (z.B. durch Tbc), Beinlängendifferenzen bei Beinamputationen, Fehlhaltung durch Armamputation, Wirbelsäulenoperationen, Bestrahlung, Adipositas usw. kommt es zu einer veränderten Statik der Wirbelsäule. Die physiologische Lordose an der Lendenwirbelsäule hebt sich nahezu auf, ein Flachrücken entsteht. Im Gegensatz dazu, kann auch eine Hyperlordose (Hohlkreuz) entstehen.

Die Wirbelsäule kommt jedoch nicht nur im sagittalen Profil aus dem Lot, sondern auch in der Frontalaufsicht. Es kommt zu einem seitlichen Gleiten der Wirbelkörper, ggf. sogar mit Rotation. Alle degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen (Spondylarthrose, Osteochondrose, Spinalkanalstenose, Wirbelgleiten, ggf. auch alte oder frische Wirbelbrüche sind hier in der Röntgendiagnostik im Bereich der LWS zu finden. Die Patienten können die Wirbelsäule nicht mehr ausbalancieren. Rückenschmerzen, einschießender Instabilitätsschmerz, ggf. Lähmungen sowie Blasen-/Mastdarmentleerungsstörungen können auftreten und bedürfen dann einer Therapie.

Diagnostik und Therapiemöglichkeit

Nach einer körperlichen Untersuchung wird die Diagnose einer Wirbelsäulendeformität mit Hilfe von speziellen Röntgenbildern der gesamten Wirbelsäule gesichert. An den Röntgenbildern kann denn das Ausmaß der Verkrümmung gemessen werden. Zur operativen Planung sind weitere Aufnahmen erforderlich. Diese Aufnahmen werden in Seitbeugung durchgeführt und benötigt, um die Korrekturfähigkeit der Skoliose vor der Operation abzuschätzen. Oft werden weiterführende Untersuchungen, wie eine Kernspintomografie (MRT) oder eine Computertomographie (CT), notwendig sein.

Angeborene Wirbelsäulenverkrümmungen

Bei Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, die Skoliose frühzeitig zu erkennen, um eine geeignete Therapie festzulegen und eine Operation zu verhindern.

Eine Skoliose ist ab einem Krümmungswinkel von 10° behandlungsbedürftig und sollte zunächst mit Physiotherapie behandelt werden. Zwischen 20° und 30° Krümmungswinkel ist in der Pubertät neben Physiotherapie auch eine Korsettversorgung notwendig. Es wird ein Korsett nach Gipsabdruck angefertigt. Durch entsprechende Druckzonen werden Krümmungen, Rippenbuckel und Lendenwulst korrigiert. Es muss genau angepasst und täglich getragen werden. Nach Abschluss des Knochenwachstums werden die Tragzeiten reduziert. Ab 30° kann in Einzelfällen bereits eine Operationsindikation vorliegen, ab 50° sollte eine operative Korrektur durchgeführt werden, um Langzeitschäden zu vermeiden.

Insbesondere frühzeitige Operationsindikationen werden bei Kindern mit neuropathischen und myelopathischen Erkankungen gestellt. Diese Kinder sollten in speziellen Zentren behandelt und operiert werden.

Bei der operativen Therapie wird ein möglichst physiologisches Profil der Wirbelsäule angestrebt. Es wird, je nach Befund, entweder von vorne und/oder von hinten operiert. In jedem Fall erfolgt eine Stabilisierung (Fusion).

Degenerative Verkrümmung

Wie bei allen anderen degenerativen Wirbelsäulenleiden auch, sollte bei der degenerativen Skoliose zunächst ein konservativer Behandlungsversuch komplett ausgeschöpft werden, sofern keine Lähmungen oder Blasen-/Mastdarmentleerungsstörungen oder eine instabile Fraktur (Wirbelbruch) vorliegen.

Nach genauer Befundung der durchgeführten Diagnostik, inkl. ausführlicher Untersuchung, ist immer eine Einzelfallentscheidung zu treffen. In der Regel bietet sich hier eine langstreckige Versteifungsoperation (Th12-S1 oder Th9-S1) von vorne und von hinten an.

Sowohl die internistischen Vorerkrankungen, der Allgemeinzustand als auch die psychische Verfassung müssen genau erhoben werden, um zu entscheiden, ob dem Patienten zur Operation geraten werden kann. Bei dieser großen Operation geht es oft um Lebensqualität, d.h. Verringerung der Schmerzen und Verbesserung der Mobilität. Oft verlaufen die Operationen gut, der postoperative Verlauf (Mobilisation, Auftreten internistischer Begleiterkrankungen) erschweren den Heilungsverlauf.

Der Patient muss wohl entscheiden, ob sich ein Eingriff dieser Art lohnt und durchführbar ist. Im postoperativen Verlauf ist oft die Mithilfe der Familie von Nöten.

Liegen jedoch Lähmungen oder Blasen-/Mastdarmentleerungsstörungen oder instabile Wirbelbrüche vor, sollte die Operation zur Vermeidung weiterer Folgeschäden dem Patienten auf jeden Fall erfolgen.

Unser Behandlungskonzept

Angeborene Verkrümmungen

  • Konservative Therapie Physiotherapie, ggf. Korsettversorgung
  • ab Cobbwinkel von 30° Korrekturspondylodese in Betracht ziehen
  • ab Cobbwinkel von 50° Korrekturspondyldese
  • ggf. Vorstellung in einem Spezialzentrum für angeborene Skoliosen

Degenerative Verkrümmung

Ausschöpfen der konservativen Therapie durch Schmerztherapie, Bewegung, Physiotherapie, ggf. Infiltrationstherapie

Bei Operationsindikation LWS

  • Mikrochirurgische osteoligamentäre Entlastung und
    Spondylodese (Versteifungsoperation) mit mikrochirurgischer osteoligamentärer Entlastung und TLIF (Ersatz der Bandscheibe durch Knochen und Cage)
  • ggf. Zementaugmentation