Schwerpunkte des Zentrums für Altersmedizin

Vermeidung von Polypragmasie

Das Wort »Polypragmasie« leitet sich vom Begriff »polypragmasia« (gr. für: Vielgeschäftigkeit) ab. Damit bezeichnen Mediziner die konzeptlose Diagnostik und Behandlung mit zahlreichen Arznei- und Heilmitteln sowie anderen therapeutischen Maßnahmen. Dadurch steigt das Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steigt das Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen ab etwa sechs unterschiedlichen Medikamenten pro Patient exponentiell an. Dies findet besonders häufig bei älteren Menschen statt.

Da gerade ältere Patienten oft eine hohe Multimorbidität - also eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheiten - aufweisen, stellen sie in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung dar. Es obliegt dann den behandelnden Ärzten als eine Art koordinierendes Element zu wirken und für Organisation und Überblick zu sorgen. 

Sicherheit geben können dabei detaillierte Medikamentenpläne. Darin notieren Sie bzw. der behandelnde Arzt wichtige Informationen. Hilfe beim Erstellen eines solchen Plans finden Sie hier.

Wie kommt es zur Multimedikation?

  • Mit zunehmendem Lebensalter und der Anhäufung von gesundheitlichen Problemen müssen dauerhaft mehrere Medikamente eingenommen werden.
  • Verschiedene Fachbereiche behandeln den Patienten medikamentös und wissen nichts voneinander (fehlende Kommunikation zwischen allen Beteiligten).
  • Der Patient nimmt Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Mittel und/oder andere frei verkäufliche Medikamente zusätzlich zu den vom Arzt/Ärztin empfohlenen Medikamenten zu sich. Darüber wird das ärztliche Personal nicht vom Patienten informiert.
  • Mehrere Einzelerkrankungen werden medikamentös therapiert, ohne die Gesamtwirkung auf den Körper im jeweiligen Lebensalter und Allgemeinzustand überblicken zu können. Einige vorübergehende Beschwerden bedürfen keiner medikamentösen Behandlung.
  • Nicht mehr notwendige oder unwirksame Arzneimittel werden weiter eingenommen.
  • Auftreten von Medikamentennebenwirkungen, die wieder medikamentös behandelt werden anstatt das auslösende Medikament abzusetzen oder die Dosis zu verringern.
  • Wenig kritische Überprüfung der Therapieempfehlungen aus dem Krankenhaus für die ambulante Dauertherapie.
  • Möglicherweise sind zu strenge Behandlungsziele gesetzt.

Wie kann ich als Betroffener oder Angehöriger zu einer sicheren Arzneimitteltherapie beitragen?

  • Vom Arzt verordnete Medikamente zeitplangemäß einnehmen.
  • Änderungswünsche, Sorgen und Fragen zur Medikation immer mit dem Arzt besprechen (Vertrauen zum ärztlichen Personal).
  • Eine aktuelle Liste über die zu nehmenden Arzneimittel, Sprays, Salben und Tropfen, inkl. Dosierung, führen. Aktuelle Medikamentenliste bei sich führen zur Vorlage beim Arzt/Ärztin und ApothekerIn.
  • Auf neue Beschwerden (Nebenwirkungen) bei Einnahme neuer Medikamente achten sowie ggf. Arzt konsultieren.
  • Ohne Rücksprache mit dem Arzt/ Ärztin Medikamente und Dosierung nicht selbständig verändern oder absetzen.
  • Sind Informationen bezüglich der Arzneimittel missverständlich, bitte erneut danach fragen.
  • Einmal jährliche Überprüfung der Medikamente mit Arzt/ Ärztin, bei Einnahme von 5 oder mehr Medikamenten.
  • Binden Sie die Medikamenteneinnahme in die tägliche Routine mit ein z.B. vor/während/nach Mahlzeiten.
  • Nutzen Sie Erinnerungshilfen z.B. Wecker, Merkzettel, andere Personen.

Welche Hilfsmittel erleichtern die Anwendung?

  • Tablettenausdrücker, Tablettenteiler
  • Verschlussöffner
  • Dosierhilfen
  • Lupen
  • Applikationshilfen z.B. für Augentropfen
  • Medikamentendosierer mit Tages- oder Wochenunterteilungen

Welche Grundregeln sind bei medikamentöser Therapie chronischer Schmerzen zu beachten?

  • Langwirkende Schmerzmittel, die den Wirkstoff verzögert freisetzen, bevorzugen.
  • Nicht invasiv vorgehen, d.h. lieber die Gabe über den Mund bevorzugen.
  • Festes Zeitschema für die Einnahme ansteuern.
  • Beachtung des WHO-Stufenschema.
  • Beachtung vorhandener Leitlinien.
  • Individuell und nach Schmerzstärke wählen und dosieren; niedrige Dosis zu Beginn bevorzugen.

Gibt es weitere Grundsätze, die bei der Medikamentenumstellung zu beachten sind?

  • Gewohnheiten des Patienten erfragen und einbeziehen, inkl. Tagesablauf.
  • Konzeptvorgehen und Behandlungsziele mit dem Patienten besprechen.
  • Über mögliche Nebenwirkungen aufklären.
  • Wichtigste Angaben in schriftlicher Form aushändigen.
  • Beruhigend wirkende Arzneimittel abends geben.

Welche Schwierigkeiten und Streitfragen ergeben sich in der medikamentösen Schmerztherapie?

  • Verordnung nach Bedarf oder Dauermedikation
  • Gabe nur kurzwirksamer oder langwirksamer Schmerzmittel
  • Einhaltung der Standarddosierung oder Abwandlung
  • Einsatz zu schwacher/starker Schmerzmittel
  • Unter-/Einschätzung der Schmerzintensität
  • Angst vor Suchterzeugung durch Opioide bzw. Bevorzugung schwacher Opioide
  • Unzureichender Einsatz einer Begleitmedikation
  • Falsches Verfahren zur Schmerzausschaltung
  • Nichtbeachtung der Patientenzustimmung
  • Unterschiedliche Erfahrungen und Ansichten der Ärzte verschiedener medizinischer Fachbereiche bezüglich der Medikamentenwirkungen beim vielfacherkrankten Mensch
  • Gefahren und Risiken kennen und individuell einschätzen