Nebenschilddrüsen

Spezielle endokrine Chirurgie

Anatomie und Funktion der Nebenschilddrüsen

Die Nebenschilddrüsen sind auch im medizinischen Gebrauch als Epithelkörperchen oder Glandula Parathryreoidea bekannt. Der Mensch verfügt in der Regel über 4 kleinlinsenförmige Nebenschilddrüsen, welche paarig (oben und unten) an der Hinterfläche des jeweiligen Schilddrüsenlappens haften. Selten sind nur 3 in manchen Fällen aber auch 5 Nebenschilddrüsen zu finden. Aufgrund der embryonalen Entwicklungsgeschichte können diese Organe Lageveränderungen aufweisen, sodass diese z. B. haftend am oder im Thymus (Bries) aufzufinden sein können. Die Nebenschilddrüsen sind für die Produktion des Parathormons zuständig. Dieses Hormon regelt unter Mitwirkung von Vitamin-D und Calcitonin (in den C-Zellen der Schilddrüse produziertes Hormon) den Calcium-Phosphat-Haushalt im menschlichen Körper.

Diagnostik von Erkrankungen der Nebenschilddrüsen

Bereits eine Blutuntersuchung mit dem Nachweis eines erhöhten Calciumwertes kann das Vorliegen einer Funktionsstörung der Nebenschilddrüse andeuten. Diese Laboruntersuchung wird mit der Bestimmung vom Parathormon (intakt-PTH) vervollständigt. Wird in den darauffolgenden Kontrolluntersuchungen eine Erhöhung dieser Werte festgestellt, so gilt die Diagnose einer Überfunktion der Nebenschilddrüse als gesichert. Zur Lokalisationsdiagnostik der krankhaft veränderten Nebenschilddüse (oder auch mehrere Nebenschilddrüsen) wird eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) durchgeführt. Bei Nicht-Auffindung des Befundes kann die Szintigraphie (SestaMIBI-Szintigraphie) in den meisten Fällen die Lokalisation der erkrankten Nebenschilddrüse herbeiführen. Zur Beurteilung des Ausmaßes einer Nebenschilddrüsen-Überfunktion bedingten Knochenentkalkung (Osteoporose) kann eine Röntgen-Aufnahme der Hand erfolgen. Trotz modernsten diagnostischen Maßnahmen bleibt die genaue Lokalisation einer krankhaft veränderten Nebenschilddrüse bisweilen aus. In diesen Fällen wird das erkrankte Organ erst während der Operation dargestellt. Der Einsatz der Kernspinntomo-graphie oder der Computertomographie zur Lokalisationsdiagnostik sind nicht Mittel der ersten Wahl und werden lediglich in Fällen von bereits durchgeführten Operationen an den Nebenschilddrüsen eingesetzt.

Gutartige Erkrankungen der Nebenschilddrüsen

Zu allermeist stellen Erkrankungen der Nebenschilddrüse eine Überfunktion (Hyperparathyreoidismus) dar. Eine Unterfunktion (Hypoparathyreoidismus) der Nebenschilddrüse ist sehr selten und kann z. B. als postoperative Komplikation nach Schilddrüsen- oder Nebenschilddrüsenoperationen entstehen. Angeborene Erkrankungen der Nebenschilddrüse die mit einer Unterfunktion einhergehen (z. B. Di-George-Syndrom) sind äußerst selten. Eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen mit sich daraus entwickelnder Hypercalcämie (erhöhter Calciumwert im Blut) kann folgende Beschwerden oder Funktionsstörungen auslösen: Nierensteinbildung, vermehrter Knochenabbau (Osteoporose), Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Erbrechen, Magen- und/oder Zwölffingerdarm-Geschwüre, Verstopfung, Pancreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse). Muskel-, Knochenschmerzen, Abgeschlagenheit. Nicht selten können auch depressive Störungen eintreten.

Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)

In 80% der Fälle wird der primäre Hyperparathyreoidismus durch ein Adenom einer Nebenschilddrüse (solitäres Adenom) verursacht. Doppeladenome (zwei Nebenschilddrüsen betroffen) oder eine Mehrdrüsenhyperplasie (Vergrößerung von drei oder aller Nebenschilddrüsen) werden ebenfalls beobachtet und können Ausdruck einer genetischen Erkrankung sein (Multiple-Endocrine-Neoplasie MEN I oder MENII) sein.

Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)

Der Grund dieser Überfunktionsstörung ist außerhalb der Nebenschilddrüsen zu finden. Circa 90% der Betroffenen mit einem sHPT haben eine chronische dialysepflichtige Nierenfunktionsstörung (Niereninsuffizienz). Durch die Nieren-insuffizienz kommt es zu erheblichen Störungen des Calcium-Phosphat Haushaltes mit Calciummangel und zu einer verminderten Calcitriolproduktion (Vitamin-D) in der Niere. Dieser Zustand führt im Sinne eines Ausgleichmechanismus zu einer Vergrößerung der Nebenschilddrüsen mit einer vermehrten Produktion von Parathormon. Durch den Einsatz von Medikamenten kann diese Situation in einem bestimmten Rahmen beherrscht werden, sodass lediglich in 5 bis 10% eine Operationsnotwendigkeit besteht. Ein nicht operationsbedürftiger sHPT kann auch durch Calciummangel z. B. bei chronischen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Sprue), oder Vitamin-D Mangel aber auch bei Lebererkrankungen (Zirrhose) entstehen.

Tertiärer Hyperparathyreoidismus (tHPT)

Entstehung als Folge eines sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) mit Adenomentwicklung in einer oder mehreren Nebenschilddrüsen.

Bösartige Erkrankungen der Nebenschilddrüse

Äußerst selten vorkommende Erkrankung, welche operativ mit der Entfernung der: Nebenschilddrüse mitsamt anhängendem Füll- und Fettgewebe, Schilddrüsenlappen der betroffenen Seite und Ausräumung der Lymphknoten des zentralen Faches, behandelt wird.

Operative Therapie von Erkrankungen der Nebenschilddrüse

Das Ausmaß der operativen Intervention (Parathyreoidektomie) ist Diagnose-abhängig (pHPT, sHPT oder tHPT).

Bei einem primären Hyperparathyreoidismus (pHPT) wird die betroffene Neben-schilddrüse (Nebenschilddrüsenadenom) gänzlich entfernt. Bei den sogenannten Doppeladenomen (zwei Nebenschilddrüsen betroffen) oder bei einer Mehrdrüsenhyperplasie (Vergrößerung und Überfunktion von drei oder aller Nebenschilddrüsen) werden 3 ½ Nebenschilddrüsen entfernt. Die Belassene ½ ist die von der unauffälligsten Nebenschilddrüse. Eine weitere Methode ist die Entfernung aller 4 Nebenschilddrüsen, wobei dann eine ½ Nebenschilddrüse in der Unterarmmuskulatur reimplantiert wird. Letztere Methode wird in der Regel weltweit für den sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) angewendet. Bei begründeter Diagnose z.B. bei dem sekundären Hyperparathyreoidismus, wird wegen der Möglichkeit von überzähligen oder lageveränderten im Thymus (Bries) befindlichen Nebenschilddrüsen zusätzlich eine Thymektomie (Entfernung beider Brieslappen) durchgeführt.

Der Erfolg der Therapie wird noch während der Operation (intraoperativ) durch die histologische Bestätigung der entfernten Nebenschilddrüsen (Nebenschild-drüsenadenom oder Hyperplasie) in der mikroskopischen Schnellschnitt-untersuchung gesichert. Eine ebenfalls während der Operation vorgenommene Maßnahme zu Erfolgsabsicherung ist die Bestimmung des Parathormons im Blut (Quick-PTH-Assay), welche einen deutlichen Abfall erfahren muss.

Modernste Operationsverfahren

In diesem Rahmen verfügen wir über:

  • In der Nebenschilddrüsen-Chirurgie sehr erfahrene und qualifizierte Chirurgen
  • Verzicht auf die Anlage von Wunddrainagen: Zur Vermeidung von weiteren Narben in der Halsregion
  • Intraoperatives Neuromonitoring: Darstellung und Kontrolle des Stimmbandnervens mittels elektrischer Nervenstimulation.
  • Intraoperative Schnellschnittdiagnostik: Sofortige feingewebliche mikroskopische Untersuchung der entfernten Nebenschilddrüsen im Pathologischen Institut im Hause.
  • Intraoperatives Quick-PTH-Assay: Zur Bestimmung des Parathormons (PTH) im Blut noch während der Operation – damit stellen wir auch anhand der Hormonanalyse in der Operation bereits sicher, dass der Erfolg der Operation eintreten wird.
  • Lupenbrille: 2,5 bis 3,5facher Vergrößerung des Operationsgebietes.
  • Ultraschallschere: Als blutsparende Technik während der Operation.
  • Hämodialyse: Aufrechterhaltung des Dialyserhythmus im Zusammenarbeit mit der Nephrologischen Abteilung (Medizinische Klinik III) unseres Hauses für Patienten mit einem niereninsuffizienzbedingten sekundären Hyperpara-thyreoidismus.

Mögliche Komplikationen nach Operation der Nebenschilddrüsen

Auch Operationen der Nebenschilddrüsen können in seltenen Fällen mit Komplikationen einhergehen.

  • Wundheilung: Wundheilungsstörungen z. B. mit Eiterung der Operationswunde sind äußerst selten. Eine leichte Schwellung oder „derb werden“ der Operationsnarbe ist in den allermeisten Fällen nur vorübergehend und geht in der Regel nach 4 bis 8 Wochen vollständig zurück.
  • Nachblutungen: diese postoperative Komplikation erfordert in seltenen Fällen eine erneute Operation. Diese Komplikation ist jedoch sehr selten.
  • Nach der Operation entstandene und bleibende Unterfunktion der Nebenschilddrüse, welche durch die fehlende Produktion von Parathormon (PTH) zu einer Hypocalcämie (Calciummangel im Blut) führt. Bei kryokonserviertem eigenem Nebenschilddrüsengewebe besteht in diesen Fällen die Möglichkeit zur erneuten Nebenschilddrüsengewebe-Reimplantation.
  • Funktionsstörungen des Stimmbandnervs (Recurrensparese): Diese Komplikation entsteht wegen der engen Nachbarschaft des Stimmbandnervens zur Nebenschilddrüsen. Operationsbedingt kann hierbei zu Zerrungen des Nervens mit nachfolgenden Funktionsstörungen kommen. Eine einseitige Läsion führt zu einer Heiserkeit. Die noch seltener vorkommende beidseitige Läsion des Nervens führt zu einer Stimmlosigkeit und zu Atemstörungen. Eine Rückbildung dieser Störungen stellt sich in den meisten Fällen nach Wochen bis weilen jedoch nach Monaten ein. Eine logopädische Behandlung wird dann eingeleitet wenn Funktionsstörungen des Stimmbandnervs länger als 3 bis 4 Wochen fortbestehen. Eine bleibende Schädigung des Stimmbandnervs ist allerdings selten.

Nachsorge nach erfolgter Operation der Nebenschilddrüsen

  • Einleitung der entsprechenden Schmerzmedikation nach Beendigung der Operation.
  • Circa 3 bis 4 Stunden nach Operationsende erste Befundkontrolle und Patienten-mitteilung über den Operationsverlauf durch den Operateur.
  • Engmaschige Überwachung des Calciumhaushalts nach Beendigung der Operation mit rechtzeitigem Ersatz vom Calcium als orale (Brause-Tabletten und/oder Trinkampullen) Medikation oder als “Infusion“ durch einen in einer großen Vene platzierten Katheter.
  • Essen und Trinken wie gewohnt bereits am Operationstag.
  • Postoperative Kontrolle der Stimmbandfunktion am ersten Tag nach der Operation.
  • In der Regel am zweiten postoperativen Tag ausführliche Besprechung des Ergebnisses der endgültigen mikroskopischen feingeweblichen Untersuchung.
  • Die Entlassung der Patienten ist vom Erreichen einer Stabilität und Normwertigkeit des Calciumwertes im Blut unter oraler (Brause-Tabletten und/oder Trinkampullen) Calciumeinnahme abhängig. Erfahrungsgemäß erfolgt die Entlassung ab dem dritten postoperativen Tag.
  • Die Überwachung des Calciumwertes im Blut bis zur vollständigen Normalisierung (keine Einnahme von Calcium-Tabletten mehr notwendig) erfolgt ambulant in unserer Chirurgischen Leitstelle. Die Wundkontrollen können bei Ihrem Hausarzt oder auf Wunsch gerne bei uns (in unserer Chirurgischen Leitstelle) erfolgen.
  • In der Regel wird zum Wundverschluss resorbierbares Fadenmaterial verwendet, so dass hier eine “Fadenentfernung“ nicht notwendig ist.
  • Duschen ist ab dem 2. postoperativen Tag erlaubt, Baden allerdings erst ab dem 5. postoperativen Tag.