Unser Bewegungsapparat besteht aus Muskeln, Gelenken und Knochen. In Zusammenspiel mit dem Nervensystem entsteht Bewegung, die zu Mobilität und letztendlich zu Selbstständigkeit und Freiheit führt.

Viele Nerven- und Muskelerkrankungen schränken Bewegungen ein und es treten Lähmungen auf. Der Bewegungsapparat passt sich an diese Einschränkungen an, verformt sich und im Laufe der Zeit entstehen vorzeitige Abnutzungen und Schmerzen.

Die meisten Nerven- und Muskelerkrankungen sind nicht heilbar. Kinder und Erwachsene müssen lernen mit schlaffen oder spastischen Lähmungen zu leben. Das ist gut möglich denn es gibt heute zahlreiche Methoden, die Hilfe für Kindergarten, Schule, Alltag, Beruf, Spiel und Sport bieten.

Mehrere aktuelle Studien zeigen, dass Schmerzen der Muskeln und Gelenke unterschätzt werden. Nur wenn der Bewegungsapparat keine Schmerzen verursacht, wird die eigene Lebensqualität von Menschen mit Lähmungen genauso hoch bewertet wie von Menschen ohne Lähmung.

Eine wichtige Aufgabe der Neuroorthopäden ist es daher, den Verlauf von Erkrankungen des Bewegungsapparates bei bestimmten Nerven- und Muskelerkrankungen zu kennen, rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und die wirksamste Behandlung zu empfehlen.

Ziel ist immer eine langfristige, schmerzfreie Mobilität bis ins hohe Erwachsenenalter zu erreichen. Die optimale, sanfte und effektive Behandlung durch spezielle Therapien, kindgerechte Orthesen und manchmal auch Operationen nützt den richtigen Zeitpunkt, Zeiträume und biologische Kräfte des Wachstums und der Reifung aus, um dieses Ziel mit dem geringstmöglichen Einsatz zu erreichen.

Die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Neuroorthopädie haben sich in den vergangenen Jahren durch moderne Verfahren, wie die computergestützte 3D-Bewegungsanalyse, neue bewegungstherapeutische und orthopädietechnische Möglichkeiten und minimal-invasive und belastungsstabile Operationstechniken außerordentlich rasch gewandelt. Leider gibt es nur sehr wenige Orthopäden und Fachabteilungen, die ausschließlich auf die Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit Nerven- und Muskelerkrankungen spezialisiert sind, über das aktuellste internationale Fachwissen verfügen und auch mit seltenen Problemen viel Erfahrung besitzen.

In der Rummelsberger Neuroorthopädie, die zu den ältesten und traditionsreichsten Abteilungen im deutschen Sprachraum zählt, haben alle Fachärzte seit Beginn ihrer ärztlichen Tätigkeit jahrzehntelange Erfahrungen in der Neuroorthopädie gesammelt. In unserem Zentrum für Menschen mit Mehrfachbehinderungen arbeiten wir täglich eng mit der Klinik für Neurologie zusammen.

Wenn es diesbezüglich Fragen gibt, laden wir Sie/ Dich herzlich zur ausführlichen Beratung in unsere Sprechstunde ein. Wir werden Ihnen/ Dir, die für Ihren/ Deinen Bewegungsapparat individuell bestmögliche - am wenigsten belastende, aber wirksamste - Behandlung vorschlagen, den Ablauf genau erklären und Sie/ Dich persönlich bis zum Abschluss der Behandlung begleiten.

Wer ist behindert? Wer wird behindert?

Erkrankungen der Nerven und Muskeln können zu einer Beeinträchtigung von Alltagsaktivitäten führen:

  • Störung der allgemeinen Bewegungssteuerung
  • Sprachstörung
  • Greifstörung
  • Gangstörung
  • Störung der Oberflächen- und Tiefenwahrnehmung
  • Seh- und Hörstörungen
  • Störung von psychischen, emotionalen und Lern- bzw. Denkfunktionen, etc.

Ob das betroffene Kind oder der betroffene Erwachsene durch diese Beeinträchtigungen „behindert ist“, kann es oder er nur selbst beurteilen. Wir können durch Hilfsmittel, die richtige Kommunikation, Unterstützung, Therapien, konservative und operative Behandlungen  dazu beitragen, dass unsere Patienten im Alltag so wenig wie möglich „behindert werden“.

Ob Menschen mit Bewegungsbehinderungen glücklich leben, hängt von ihrer Schmerz- und Bewegungsfreiheit, ihren selbständigen Aktivitäten in ihrer sozialen Umgebung ab, aber auch von ihrem Recht auf Unvollkommenheit. Alle Therapieansätze der Neuroorthopädie müssen die individuellen Ziele und Wünsche des Patienten, seiner Familie und Betreuer berücksichtigen.

Der Schlüssel zu einer verbesserten Lebensqualität bewegungsbehinderter Menschen im Alter liegt in der Zeit des Wachstums entwicklungsgestörter Kinder und in der frühen Rehabilitation nach akuten neurologischen Erkrankungen. In dieser Zeit reagiert der Bewegungsapparat rasch auf äußere Einflüsse. Prinzipiell ist er sehr anpassungsfähig. In der Biologie lernt man: Die Form folgt der Funktion.

Regelmäßige Bewegung und Sport fördern die Entwicklung und Rehabilitation der Knochen, Muskeln und Gelenke. Auch Koordination und Geschicklichkeit werden so trainiert. Intensives oder falsches Training kann zu Überlastungserscheinungen führen. Dann klagen Patienten über Schmerzen nach der Belastung. Allerdings sind viel häufiger Unterforderungen als Überforderungen durch Bewegung zu beobachten. Fast ausschließlich sitzende Alltagstätigkeiten und Bewegungsmangel führen zu einem schwächer ausgebildeten Bewegungsapparat. Auch die Koordination ist schlechter entwickelt. Fortschreitende Haltungsstörungen sind zu beobachten. Übergewicht kann eine weitere Folge mangelnder Aktivität sein. Besonders ungünstig ist es, wenn Bewegungsmangel mit gelegentlicher therapeutischer oder sportlicher Überlastung zusammenfällt. Dann sind Schmerzsyndrome und manchmal leider auch andere ernsthafte Erkrankungen vorprogrammiert.

Die ausgewogene und vorausschauende neuroorthopädische Planung einer Verbesserung der Lebensqualität bei angeborenen und erworbenen cerebralen Bewegungsstörungen und neuromuskulären Erkrankungen bedarf einer sehr spezifischen Behandlungsphilosophie, bei der ein gemeinsames Verständnis von Wert und Qualität des „Lebens mit Behinderung“ sowie interdisziplinäres Denken und multiprofessionelle Zusammenarbeit in einem gut funktionierenden Netzwerk Voraussetzung sind für eine menschlich und fachlich hochwertige medizinische Arbeit.