Duisburg,
06
Oktober
2023
|
08:00
Europe/Amsterdam

Experten der Sana Kliniken Duisburg klären über wichtige Fragen zu psychischen Erkrankungen auf

Presseinformation anlässlich der Woche der seelischen Gesundheit (10. bis 20.10.2023)

Zusammenfassung

Laut Bundesministerium für Gesundheit (BMG) leidet fast jeder dritte Mensch in Deutschland im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung. Weltweit zählen Depressionen, Alkoholerkrankungen, bipolare Störungen und Schizophrenien sogar zu den am häufigsten diagnostizierten Erkrankungen. Dennoch werden sie häufig tabuisiert, lösen Verunsicherung und Ängste aus. Um diese abzubauen, helfen vor allem sachliche, seriöse Informationen und gezielte Angebote. PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und Markus Steinhoff, Chefarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie der Sana Kliniken Duisburg, Bertha Krankenhaus, sprechen im Experten-Interview über psychische Erkrankungen im Allgemeinen und das Beratungs- und Therapieangebot der Sana Kliniken Duisburg.

Was sind die häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland?
PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Die häufigsten psychischen Erkrankungen sind die sogenannten ‚affektiven Erkrankungen‘. Dazu gehören depressive Störungen, die hier mit Abstand führend sind, gefolgt von Angst- und Suchterkrankungen. Mit steigender Lebenserwartung treten auch sogenannte ‚neurodegenerative Erkrankungen‘ gehäuft auf, die unter anderem durch verschiedene Aspekte kognitiver Einschränkungen im Sinne dementieller Krankheitsbilder zeigen.“

Markus Steinhoff: „Bei Kindern und Jugendlichen sind es Angststörungen, Depressionen und hyperkinetische Störungen, kurz: ADHS.“

Gibt es Risikofaktoren? Falls ja, wie kann man sich dagegen schützen?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Die Entstehung und das Sichtbarwerden einer psychischen Erkrankung ist komplex und wird durch viele Faktoren beeinflusst. Neben genetischen Faktoren spielen hier auch die Biografie, Stressauslöser bzw. Traumata und diverse psychosoziale Faktoren gemeinsam eine Rolle.“

Markus Steinhoff: „Auch bei Kindern kann man nicht von ‚dem einen Faktor‘ sprechen. Familienkonflikte, eine Trennung der Eltern oder psychisch erkrankte Eltern sind unter anderem Risikofaktoren. Auch körperliche chronische Erkrankungen oder traumatische Erlebnisse in der Kindheit erhöhen das Risiko für die Entwicklung einer psychischen Erkrankung. Dagegen kann man beobachten, dass eine gute soziale Anbindung, emotionale Nähe, sichere Bindung, eine aktivierende Freizeitgestaltung und unterstützende Systeme – zum Beispiel die Schule, Vereine, oder Selbsthilfegruppen – sich positiv bemerkbar machen.“

Gibt es zwischen Männern und Frauen bei der Häufigkeit von psychischen Erkrankungen allgemein bzw. bei bestimmten Krankheitsbildern Unterschiede?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Das hängt von der Art der Krankheit ab. Ich möchte dies einmal am Beispiel depressiver Erkrankungen näher erläutern: In den meisten, vor allem älteren Lehrbüchern der Psychiatrie steht, dass Frauen von depressiven Erkrankungen häufiger betroffen seien als Männer. Zahlreiche neuere Studien haben allerdings übereinstimmend Hinweise ergeben, dass sich möglicherweise nur die sichtbaren Symptome zwischen den Geschlechtern unterscheiden. So sind Patientinnen eher traurig und gehemmt, während sich die männliche Depression durch eine verminderte Frustrationstoleranz und Anspannungszustände auszeichnet. Diese unterschiedlichen Anzeichen könnten erklären, warum eine Depression bei Frauen offensichtlich leichter ‚ins Auge fällt‘ als bei Männern und daraus geschlussfolgert wird, Frauen seien häufiger von depressiven Erkrankungen betroffen.“

Markus Steinhoff: „So neigen Jungen zum Beispiel eher zu Suchterkrankungen und externalisierenden Störungen wie Aggressionen oder Impulsdurchbrüchen und erkranken deutlich häufiger an ADHS. Außerdem erhalten sie oftmals bis zum 15. Lebensjahr eine psychiatrische Diagnose. Mädchen dagegen erhalten diese eher ab dem 15. Lebensjahr. Bei Mädchen überwiegen Internalisierungs- und Essstörungen sowie psychosomatische Beschwerden. Auch selbstverletzende, nicht-suizidale Verhaltensweisen beobachten wir vermehrt.“

Bei welchen Beschwerden sollte man einen Arzt aufsuchen?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Da gibt es leider keine pauschale Antwort. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als einen ‚Zustand völligen geistigen und körperlichen Wohlbefindens‘. Anhand dieser Definition stelle ich mir gelegentlich selbst die Frage, an welchen Tagen im Jahr ich selber wirklich ganz gesund bin. Wenn ich aber feststellen würde, dass ich über eine längere Phase durchgehend aufgrund körperlicher oder psychischer Symptome offensichtlich nicht gesund bin, würde ich zu einem Besuch beim Hausarzt raten.“

Markus Steinhoff: „Als Elternteil sollte man bei großen Sorgen bezüglich der Entwicklung des Kindes einen Arzt aufsuchen. Wenn sich ein Leiden zum Beispiel durch einen starken Rückzug aus dem sozialen Leben zeigt oder Maßnahmen oder Strategien, die zuvor funktioniert haben, nicht mehr ausreichen, sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden.“

Wie sollte man reagieren, wenn man bei einem Familienmitglied, Freund oder Kollegen eine psychische Erkrankung befürchtet?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Ich denke, dass es das Wichtigste ist, in seinem jeweiligen psychosozialen Umfeld stets aufmerksam und achtsam zu sein, um überhaupt mögliche Veränderungen im Verhalten einer Person zu erkennen. Es kann auch hilfreich sein, in einer ruhigen und geeigneten Situation den Betroffenen direkt anzusprechen, um zu zeigen, dass man sich Sorgen macht und deshalb gern für ein vertrauliches Gespräch zur Verfügung steht. Wir wissen heute: Es kann jeden treffen. Nimmt man alle psychischen Erkrankungen zusammen, wird rund jeder Dritte einmal im Leben mehr oder minder schwer betroffen sein. Es gibt also wahrhaft keinen Grund, sich für eine psychische Erkrankung zu schämen.“

Markus Steinhoff: „Man sollte eigene Bedenken offen kommunizieren und dabei eine wertschätzende Haltung einnehmen. Frei von Ratschlägen oder Beschwichtigungen. Dabei gilt es, eigene Grenzen erkennen, gegebenenfalls Helfer einbeziehen und die Betroffenen weitervermitteln.“

Welche Erkrankungen behandeln Sie in erster Linie?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „In der Klinik und Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Sana Kliniken Duisburg behandeln wir sämtliche psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen und erfüllen damit auch die sogenannte gemeindenahe Pflichtversorgung für den gesamten Duisburger Westen. Schwerpunkte in der Arbeit unserer Stationen sind affektive Erkrankungen, also Depressionen, die qualifizierte Entgiftung bei Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sowie psychische Erkrankungen der zweiten Lebenshälfte. Hier erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den etablierten Kliniken für Geriatrie und Neurologie der Sana Kliniken Duisburg. Zudem besteht eine Kooperation mit der auf dem Campusgelände gleichfalls beheimateten Kinder- und Jugendpsychiatrie, insbesondere im Bereich psychischer Erkrankungen junger Erwachsener.“

Markus Steinhoff: „Wir behandeln stationär alle psychiatrischen Erkrankungen, die nach somatischer Abklärung dazu führen, dass Kinder oder Jugendliche Probleme mit der Alltagsbewältigung haben und bei denen ambulante Therapien nicht ausreichen.“

Wie viele Patient*innen werden im Durchschnitt jedes Jahr in den Sana Kliniken Duisburg behandelt?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Im letzten Jahr haben wir rund 900 Patientinnen und Patienten stationär und/oder teilstationär in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt; hinzu kommen ca. 1.900 ambulante Behandlungen in der psychiatrischen Institutsambulanz. Damit haben wir das Vor-Corona-Niveau aus dem Jahr 2019 übertroffen.“

Markus Steinhoff: „In der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandeln wir pro Jahr durchschnittlich etwa 300 stationäre und 75 teilstationäre Patientinnen und Patienten“.

Gibt es ein spezielles Angebot für Angehörige?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Gerade bei psychischen Erkrankungen ist es überaus wichtig, die Bezugspersonen der Patientinnen und Patienten möglichst mit in die Behandlung einzubeziehen. Diese Vorgehensweise wird bei uns von allen Mitarbeitenden der multiprofessionellen Behandlungsteams, Ärzte, Psychologen, Krankenpflege, Sozialarbeiter, Spezialtherapeuten, in der täglichen Praxis gelebt.“

Markus Steinhoff: „Wir führen regelmäßige Elterngespräche durch und es gibt Elterngruppen. Darüber hinaus bieten wir wöchentlich eine systemische Familientherapie an. Alle sechs Wochen finden Jugendamtsberatungen statt, zudem steht der Sozialdienst in verschiedenen Belangen beratend zur Seite.“

Wieso und wie unterstützen Sie die Aktionswoche?

PD Dr. med. Marcus-Willy Agelink: „Wir wissen heute: Die seelische Gesundheit geht uns alle an. Aktuelle versorgungsepidemiologische Daten der Krankenkassen zeigen jedes Jahr einen Anstieg der Fälle und Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen auf. Es ist uns ein Anliegen, hierauf gemeinsam mit vielen anderen Akteuren aufmerksam zu machen, aufzuklären und so zu einer weiteren Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beizutragen.“

Markus Steinhoff: „Damit wollen wir helfen, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren. Mehr Öffentlichkeitsarbeit soll mehr Verständnis herstellen und Hemmungen abbauen. Wir sehen die Aufklärung als Präventionsarbeit, um auch Vorurteilen und Stigmatisierungen entgegenzutreten.“

 

Über die Sana Kliniken Duisburg

Die Sana Kliniken Duisburg sind ein Krankenhaus der Maximalversorgung und Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen und behandeln jährlich zirka 22.000 stationäre Patientinnen und Patienten. Weitere rund 60.000 Patienten werden ambulant versorgt. Das Klinikum verfügt über 17 Fachabteilungen, drei Institute und ein angeschlossenes Ärztezentrum sowie 550 Betten und beschäftigt 1.600 Mitarbeitende. Träger ist zu 99 Prozent die Sana Kliniken AG und zu einem Prozent die Stadt Duisburg.

Über die Sana Kliniken AG

Die Sana Kliniken AG ist führender integrierter Gesundheitsdienstleister im deutschsprachigen Raum. Die ganzheitliche Gesundheitsversorgung erstreckt sich von Präventionsangeboten über die ambulante und stationäre Versorgung bis hin zu Nachsorge, Rehabilitation und Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Neben B2B-Services in Einkauf und Logistik bietet Sana Beratung, Implementierung und Instandhaltung in den Bereichen Medizintechnik und Medizinprodukte sowie Managementleistungen für externe Kliniken an. 2022 erwirtschafteten die rund 34.500 Beschäftigten einen Umsatz von drei Milliarden Euro. Zur Sana Kliniken AG zählen mehr als 120 Gesundheitseinrichtungen, darunter Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und 44 Krankenhäuser, in denen jährlich rund zwei Millionen Patientinnen und Patienten behandelt werden, sowie mehr als 50 Sanitätshäuser. Eigentümer der 1976 gegründeten Sana Kliniken AG sind 24 private Krankenversicherungen. Sitz der Unternehmenszentrale ist Ismaning bei München.