Interview: Gemeinsam stark in der Selbsthilfegruppe

Zusammenfassung

Die Diagnose Darmkrebs ist herausfordernd – auch emotional. Da kann es helfen, sich mit Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Heidrun Franke leitet eine Selbsthilfegruppe. Wir haben mit ihr gesprochen.

Frau Franke, was ist Ihre Geschichte? Wie kommt es, dass Sie die ILCO-Selbsthilfegruppe in Leipzig leiten? 

Franke: Ich habe seit 1982 – da war ich 25 – selbst ein Stoma, allerdings nicht aufgrund einer Darmkrebserkrankung, sondern weil ich an einer Colitis Ulcerosa leide. Schon damals habe ich mich engagiert und Patientinnen und Patienten, die aus verschiedenen Gründen ein Stoma erhalten haben, beraten und begleitet. Als dann 1990 die ILCO-Gruppe in Sachsen gegründet wurde, sprach mich mein die Stationsschwester aus der Uniklinik Leipzig an, ob ich nicht mitmachen wolle. Seitdem bin ich dabei und betreue die ILCO-Gruppe hier in Leipzig seit über 20 Jahren. 

Was ist die Deutsche ILCO eigentlich? 

Der Name ILCO setzt sich aus den medizinischen Bezeichnungen Ileum (Dünndarm) und Colon (Dickdarm) zusammen. Die Deutsche ILCO ist eine Selbsthilfevereinigung, gegründet 1972, und will allen Betroffenen in Deutschland beistehen, so dass diese auch mit einem Stoma und mit ihrer Darmkrebserkrankung selbstbestimmt und selbstständig leben können. In Deutschland gibt es geschätzt rund 150.000 Stoma-Träger und jährlich erkranken circa 61.000 Menschen neu an einem Darmkrebs.

Was ist ein Stoma?

Der Begriff "Stoma" kommt aus dem Griechischen und bedeutet einfach "Mund/Öffnung". Ein Stoma ist eine operativ angelegte Öffnung in der Bauchdecke, quasi ein künstlicher Darmausgang. Dieser gewährleistet, dass die Patientin oder der Patient weiterhin gut leben kann, auch wenn die natürliche Funktionsweise von Darm oder Blase krankheitsbedingt beeinträchtigt ist.

Wie funktioniert die ILCO-Selbsthilfegruppe? 

Zu unserer Gruppe gehören Menschen, die an Darmkrebs erkrankt sind, aber auch Betroffene mit Morbus Chron oder Colitis Ulcerosa. Wir treffen uns jeden dritten Montag im Monat 16 Uhr in den Räumen des Stadtverbands der Hörgeschädigten Leipzig e.V. in der Friedrich-Ebert-Straße 77 in Leipzig. Wir sind meistens zu zehnt oder elft und kommen aus Leipzig und der Region. Wir sind selber alle Stoma-Trägerinnen und -Träger und die Altersspanne reicht von Anfang 40 bis 89. Manche von uns sind aktuell noch in einer Therapie, wieder andere sind so genannte Langzeitüberlebende.  Viele haben sicher die Vorstellung, dass die Menschen in einer Selbsthilfegruppe nur traurig und niedergeschmettert sind. Aber das ist auf keinen Fall so. Die Atmosphäre ist vor allem von Vertrauen und Offenheit geprägt. Wir reden über unsere Belange, tauschen uns über unsere Erfahrungen aus und das durchaus auch hin und wieder mit einem Augenzwinkern. Einmal im Jahr laden wir uns eine Expertin oder einen Experten für einen inhaltlichen Input ein, zum Beispiel einen Mediziner oder jemanden aus der Apotheke, um beispielsweise zu neusten Therapien zu informieren. Auch Themen wie zum Beispiel Hausnotruf, Wohnen in der Betreuung sowie Fragen zum Grad der Behinderung und zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess greifen wir auf.  

Wie sind Ihre Erfahrungen: Wird das Selbsthilfe-Angebot von Betroffenen wahr- und angenommen? 

Seit das Internet als wichtigste Informationsquelle genutzt wird, merken wir, dass es zunehmend schwerer ist, direkt ins Gespräch mit Betroffenen zu kommen. Das Thema ist natürlich auch mit Scham behaftet, da es ja quasi "unter der Gürtellinie“ stattfindet.  Der große Vorteil unserer Gruppe liegt jedoch im gemeinsamen Austausch von Erfahrungen. Wir haben alle die Tiefen erlebt, wenn man eine so schwere Diagnose wie Darmkrebs bekommt. Wir kennen die Anfangsschwierigkeiten und Unsicherheiten, die es gibt, wenn man plötzlich mit einem künstlichen Darmausgang lebt. Wir können emotionale Unterstützung geben, die eine besondere Verbindung schafft. Und das wird uns auch gespiegelt, wenn neue Betroffene und deren Angehörige zu uns kommen. Der direkte Austausch ist wichtig und gibt Zuversicht, dass das Leben trotz Erkrankung nicht vorbei ist. 

Was sagen Sie “neuen” Betroffenen konkret? Wie machen Sie Ihnen Mut? 

Viele haben Angst, dass sie ihr Leben völlig einschränken müssen, nicht mehr Schwimmen oder ins Theater gehen oder nicht mehr in den Urlaub fahren können und und und. Aber gerade wenn es um ein Stoma geht, kann ich immer sehr gut auf mich verweisen. Ich lebe schon so lange damit und habe ein sehr lebenswertes Leben. Ich war berufstätig, ich bin verheiratet, habe zwei Kinder mit dem Stoma bekommen.  Ich glaube, wenn man zeigen kann, was trotz einer schweren Erkrankung und trotz einer Einschränkung wie einem Stoma alles möglich ist, kann das anderen Mut machen. Das heißt, wir sind nah am Alltag dran, geben Tipps, kennen verschiedene Tricks und können allein dadurch viele Ängste nehmen und dabei helfen, die Krankheit besser zu bewältigen. 

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Kontakt zur Selbsthilfe aufzunehmen? 

Da gibt es sicher keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt. Das muss jeder für sich entscheiden oder wenn er oder sie merkt, dass ein Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen hilfreich sein könnte – das kann vor der Diagnose, während der Therapie oder auch danach sein. Ich kann aber nur raten, dass sich Betroffene auch schon vor einer geplanten Operation an uns wenden. Gerade im Vorfeld können wir als Ansprechpartner da sein und Ängste nehmen. Und aus der Erfahrung heraus ist es immer empfehlenswert, auch Angehörige oder auch vertraute Freunde einzubinden und mitzubringen. Auch sie können bei uns eine Unterstützung finden. Wir sind da und haben immer ein offenes Ohr für alle Sorgen und Fragen. 

Wie können Betroffene und Interessenten mit Ihnen in Kontakt treten?

Interessenten wenden sich gern an das Sekretariat der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, MIC- und Gefäßchirurgie / Thoraxchirurgie unter: 03433 21-1501.

Darmkrebsmonat 2024 Borna

Vertrauen & Offenheit: Selbsthilfegruppen können emotionale Unterstützung und viel Input aus erster Hand bieten.

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Über die Sana Kliniken AG

Die Sana Kliniken AG ist führender integrierter Gesundheitsdienstleister im deutschsprachigen Raum. Die ganzheitliche Gesundheitsversorgung erstreckt sich von Präventionsangeboten über die ambulante und stationäre Versorgung bis hin zu Nachsorge, Rehabilitation und Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Neben B2B-Services in Einkauf und Logistik bietet Sana Beratung, Implementierung und Instandhaltung in den Bereichen Medizintechnik und Medizinprodukte sowie Managementleistungen für externe Kliniken an. 2022 erwirtschafteten die rund 34.500 Beschäftigten einen Umsatz von drei Milliarden Euro. Zur Sana Kliniken AG zählen mehr als 120 Gesundheitseinrichtungen, darunter Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und 44 Krankenhäuser, in denen jährlich rund zwei Millionen Patientinnen und Patienten behandelt werden, sowie mehr als 50 Sanitätshäuser. Eigentümer der 1976 gegründeten Sana Kliniken AG sind 24 private Krankenversicherungen. Sitz der Unternehmenszentrale ist Ismaning bei München.