Wenn Sorgen aufs Kreuz gehen

Zusammenfassung

Haben wir Rückenschmerzen, suchen wir meist schnell nach körperlichen Ursachen. Doch auch unsere Psyche spielt eine große Rolle dabei, wie wir Schmerzen wahrnehmen und mit ihnen umgehen. Psychologin Katy Burdack erklärt uns genauer, wie sich Körper und Seele gegenseitig beeinflussen und wie wichtig diese Verbindung für das Verständnis und den Umgang mit Rückenschmerzen ist.

'Ich habe Rücken': Über 61 Prozent der Deutschen geben laut Robert-Koch-Institut an, mindestens einmal im Jahr unter Rückenschmerzen zu leiden. Besonders hoch ist die Zahl bei Frauen zwischen dem 40. und 49. Lebensjahr – 75 Prozent von ihnen sagen, öfter von akuten Rückenschmerzen betroffen zu sein. "Das ist schon eine erstaunlich hohe Zahl", konstatiert Katy Burdack, Leitende Psychologin an der Sana Klinik in Borna. "Sie zeigt, dass Rückenschmerzen nicht allein eine Frage des Alters und des körperlichen Verschleißes sind, sondern dass sich dahinter ganz verschiedene Ursachen verbergen können." 

Stress und bewegungsarmer Lebensstil verursachen Rückenschmerzen 

Natürlich spielt unser Lebensstil mit viel Sitzen und verhältnismäßig wenig Bewegung eine wichtige Rolle, warum auch immer mehr junge Menschen an Rückenschmerzen leiden. Schnell kommt es dann zu Fehl- oder Überlastung unserer Muskeln. Als eine weitere Hauptursache für Rückenschmerzen benennt die Psychologin jedoch noch etwas anderes: Stress. Aber wie kann das sein und wo besteht da der Zusammenhang? Stress für sich genommen ist per se nichts Negatives, sondern ein uralter Mechanismus, der unsere Vorfahren vor Gefahren geschützt hat. Stress versetzt unseren Körper in erhöhte Alarmbereitschaft. Der Körper schüttet Adrenalin aus, der Blutdruck steigt und wir atmen schneller, so dass die Muskeln besser mit Sauerstoff versorgt werden, um im Ernstfall schnell fliehen zu können. Doch während unsere Urahnen den Stress durch Flucht oder Kampf auflösen konnten, haben wir in unserem modernen Leben oft wenig Gelegenheit, dem Zustand der ständigen Alarmbereitschaft etwas entgegen zu setzen. Die Folge: Die Muskeln verspannen und verhärten sich, die Nerven werden gereizt. Um dem Schmerz zu entkommen, nehmen wir Schonhaltungen ein, was die Muskulatur noch mehr aus dem Gleichgewicht bringt. Kommt dann noch eine unbedachte Bewegung dazu ist er vorprogrammiert, der akute Schmerz im Rücken."Dabei muss der Stress gar nicht immer mit dem Job zu tun haben“, erklärt Katy Burdack. "Auch Probleme in der Familie, Streit oder Sorgen können uns stressen. Nicht zuletzt liegt es auch an unserer psychischen Grundeinstellung. Ob wir eher positiv oder eher negativ auf das Leben schauen, beeinflusst wie wir auf Stress reagieren und damit umgehen." 

Wenn der Schmerz zum ständigen Begleiter wird 

Oft kriegen wir akute Rückenschmerz gut wieder in den Griff. Bei vielen Menschen gehen die Schmerzen jedoch nicht so schnell wieder vorbei. Halten Rückenschmerzen länger als drei Monate oder treten immer wieder auf, sprechen Medizinerinnen und Mediziner von chronischen Schmerzen. In Deutschland ist das bei jeder fünften Frau und bei jedem siebten Mann der Fall. Natürlich werden dauerhafte Rückenschmerzen auch durch körperliche Faktoren ausgelöst, wie zum Beispiel einen Bandscheibenvorfall oder Entzündungen. Dennoch führt solch ein Dauerschmerz zu einem komplexen Zusammenspiel zwischen Körper und Seele. Denn der andauernde Schmerz belastet die Psyche. Betroffenen entwickeln regelrechte depressive Symptome, werden antriebslos, ziehen sich zurück, grübeln, haben Ängste, schlafen schlecht. „Das wiederum zieht eine geringere Leistungsfähigkeit nach sich und schlägt sich auf das Selbstwertgefühl nieder“, so Katy Burdack weiter. Besonders für Berufstätige ist das ein großes Problem. "Dazu muss man wissen, dass negative Gefühle, Stress und Schmerz im gleichen Hirnareal verarbeitet werden. Und das bedeutet nicht nur, dass der Schmerz Stress und negative Gefühle auslöst, sondern dass umgekehrt auch negative Gefühle als Schmerz wahrgenommen werden können", erläutert die Psychologin. Der Schmerz verselbständigt sich quasi und wird permanent aufrechterhalten, auch wenn er körperlich und medizinisch manchmal gar nicht mehr zu begründen ist. Für die Betroffenen ist der Schmerz jedoch immer noch da. Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen können das meist nur schwer nachzuvollziehen. Chronische Schmerzpatienten hören dann oft Sätze wie: 'Das bildest Du Dir nur ein.' "Alles bedingt also einander und kann in einen Kreislauf führen, der für die Betroffenen nicht immer leicht zu durchbrechen ist", sagt Katy Burdack. 

Schmerzen ganzheitlich angehen 

Aber wie kann es gelingen, diesem Kreislauf zu entkommen und dem Schmerz die Stirn zu bieten? Dazu gibt es unter anderem die Möglichkeit einer Multimodalen Schmerztherapie, wie sie auch die Klinik in Borna anbietet. Der Begriff 'multimodal' bedeutet, dass hier aus verschiedenen Perspektiven auf die Schmerzpatienten geschaut, von denen fast 80 Prozent unter chronischen Rückenschmerzen leiden. Katy Burdack erklärt: "Die Schmerzpatienten kommen entweder 14 Tage zu uns in die Klinik oder gehen vier Wochen in unsere Tagesklinik. Neben der medizinischen Versorgung durch unterschiedliche Fachärzte wie Orthopäden oder Anästhesisten, erhalten die Betroffenen eine umfassende psychologische Betreuung durch unser Team." Die Patienten erlernen darüber hinaus Techniken, wie Entspannungs- und Atemübungen, mit denen sie den körperlichen Reaktionen auf Stress besser begegnen und bewältigen können. Hinzu kommen Angebote wie Bewegungstherapie oder Ernährungsberatung. "Es ist oft ein langer Weg, denn es ist fast wie eine Umprogrammierung, die bei den Patienten stattfinden muss, damit sie die Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche besser verstehen und dadurch dem Schmerz anders begegnen können“, so die Psychologin. 

Prävention: Weg mit den trüben Gedanken 

Sicher werden wir nie ganz schmerzfrei durchs Leben gehen können. Dennoch haben wir – wie bei so vielem – auch unsere Rückengesundheit selbst in der Hand. Regelmäßige körperliche Bewegung kann nicht nur dazu beitragen, negativen Stress abzubauen, sondern auch die Rückenmuskulatur zu stärken und die Flexibilität der Wirbelsäule zu verbessern, was wiederum dem Rückenschmerz vorbeugen kann. Aber noch etwas anderes sieht die Psychologin Katy Burdack als einen wichtigen Faktor für einen möglichst schmerzfreien Rücken – die positive Einstellung: "Natürlich sind alle Menschen individuell und haben ihre eigene Einstellung. Aber man kann durchaus lernen, positiver auf das Leben zu blicken, indem man sich zum Beispiel bewusst gute Erlebnisse verschafft und genießt. Das können Kleinigkeiten sein, wie eine kurze Auszeit mit einer Tasse Tee, ein gutes Buch zu lesen, zum Sport zu gehen oder einen Spaziergang zu machen." 

 

Katy Burdack

Katy Burdack ist Psychologin am Sana Klinikum Borna und Resilienzexpertin.

Kontakt: 
Katy Burdack
Tel.: 03433 21-1608 
E-Mail

Download und Copyright Bild