Ismaning,
01
März
2023
|
08:00
Europe/Amsterdam

Mehr Redlichkeit

Zusammenfassung

Deutschland braucht eine Krankenhausreform. Sie wird allerdings bestehende Strukturen berücksichtigen müssen und - zum Teil - überführen in neue. Diese Transformation braucht Ressourcen: Zeit und Geld . Dies wird in der aktuellen Debatte zumeist unterschlagen. Thomas Lemke, Sana-CEO, mahnt deshalb in einem Gastbeitrag für f&w mehr Redlichkeit in der Debatte an.  

Thomas Lemke

Nehmen wir den Namen dieser Kolumne wörtlich: Vorstandsvorlage! Man stelle sich vor, es gäbe eine reale Vorstandsvorlage, in der vorgeschlagen wird, ein Krankenhaus umzubauen. Die Notaufnahme soll vom Erdgeschoss ins Souterrain verlegt werden, eine neue Station für Schlaganfallpatienten wird eingerichtet und kardiologische Patienten dürfen nicht mehr versorgt werden. Ein Großteil des Personals und der Geräte würde künftig anders oder andernorts eingesetzt. Und in dieser Vorstandsvorlage würden keine Aussagen zu Kosten und Auswirkungen gemacht. Kein Vorstand in Deutschland würde eine derartige Vorlage auch nur ansatzweise diskutieren. 

Gleichwohl erleben wir mit der Krankenhausreform in Deutschland derzeit eine ähnliche Debatte. Erst die DKG hat eine Auswirkungsstudie vorgelegt und damit die Folgen transparent gemacht. Angaben über die Kosten der Reform liegen bislang nicht vor. Aber: Das vermeintliche Ziel einer Entökonomisierung und damit der Verzicht auf Zahlen, Daten, Fakten kann doch nicht entschuldigen, dass dieses als „Revolution“ angekündigte Vorhaben einfach nicht durchgerechnet ist. Eine Krankenhausreform kann und wird es nicht zum Nulltarif geben. Wer etwas anderes behauptet, handelt nicht redlich. 

Wir reden dabei von Dimensionen, die man im politischen Berlin üblicherweise als „Wumms“ bezeichnet: Der Umbau des – oft gepriesenen – dänischen Krankenhaussystems hat 80 Milliarden Euro gekostet (hochgerechnet auf unsere Verhältnisse). Nimmt man den Umbau des Krankenhauswesens in Ostdeutschland während der 90er Jahren zum Maßstab, ergäbe sich ein Wert von 75 Milliarden Euro. (Und hier ist der Umbau hinsichtlich Klimaneutralität und Digitalisierung gar nicht berücksichtigt.)

Da bislang eine Finanzierung der Transformation nicht thematisiert wurde, drängt sich die Frage auf, ob wir hier nur eine Schaufenster-Diskussion erleben? Währenddessen lesen wir jede Woche von einem weiteren Krankenhaus, das Insolvenz anmeldet oder massiv in der Existenz bedroht ist. Der kalte Strukturwandel greift um sich: Krankenhäuser gehen vom Netz und die Versorgung ganzer Landstriche gerät in Gefahr. Denn auch das gehört zur redlichen Diskussion. Die Krankenhäuser sind aktuell unterfinanziert – durch eine regulatorisch bedingte Verknappung der Kapazitäten und einem ausbleibendem Inflationsausgleich. Schaufenster- Milliarden und Redlichkeit, da war doch was? Mit Ansage stellen die Kliniken aktuell fest, dass von dem Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten nur ein geringer Bruchteil in den Häusern ankommt. 

Eine Krankenhausreform ist dringend notwendig. Viele gute Ideen liegen auf dem Tisch, vieles gilt es noch zu diskutieren (insbesondere hinsichtlich einer stärkeren Ambulantisierung). Ob es aber zu einer grundlegenden Reform kommt, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Erstens müssen alle Akteure eingebunden werden – Bund, Länder, Selbstverwaltung und Leistungserbringer. Zweitens muss Redlichkeit bei der Finanzierung einziehen – eine Transformation braucht Ressourcen und es muss benannt werden, wer dafür aufkommen soll. Ein Hinweis sei gestattet: Für Atom- und Kohleausstieg wurden zig Milliarden an Steuergeld mobilisiert. Und was ist mit dem Ausstieg aus der stationären Versorgung? Bei gleichzeitigen finanziellen Engpässen sowohl in den öffentlichen Haushalten als auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird dies eine spannende Diskussion – aber unabdingbar.

Dieser Text ist am 1. März 2023 in "f&w - führen und wirtschaften im Krankenhaus" erschienen