Ismaning,
04
September
2023
|
08:30
Europe/Amsterdam

Jobkiller Krankenhausreform

Zusammenfassung

Die Personalsituation in den Krankenhäusern ist angespannt. Die Krankenhausreform wird die Lage noch verschärfen. Darüber schreibt Sana-CEO Thomas Lemke in der Kolumne “Vorstandsvorlage”  des Magazhins “f&w - Führen und Wirtschaften im Krankenhaus”.

Thomas Lemke

Die für uns gute Nachricht ist: Wir bei Sana hatten Ende vergangenen Jahres ziemlich genau so viele Auszubildende wie im Jahr zuvor. Das könnte uns freuen, ist doch die Anzahl der Auszubildenden in der Pflege im vergangenen Jahr um sieben Prozent gesunken. Mittlerweile spüren aber auch wir den Abwärtstrend. Das ist erst der Anfang: Das Institut der deutschen Wirtschaft prognostiziert, dass bis 2035 mehr als 300.000 stationäre Pflegekräfte fehlen werden. Und uns fehlen jetzt schon Hände … und in Zukunft noch viel mehr das nicht nur in der Pflege, auch bei Ärzten.

Einige Klinikmanager mögen jetzt denken, dass sie gerne die Probleme des Jahres 2035 hätten. Voraussetzung wäre, dass es das Haus noch gibt. Dessen können sich aber viele Häuser gar nicht mehr sicher sein – egal in welcher Trägerschaft. Zwei von drei Kliniken sehen ihre Existenz gefährdet, hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) vor Kurzem ermittelt. Kaum ein Krankenhaus kann seine Ausgaben aus den Einnahmen decken,

Insolvenzen werden vom zuständigen Bundesminister als normal hingenommen. In der DKI-Umfrage gaben nur elf Prozent der Befragten an, durch die Krankenhausreform mehr Personal gewinnen zu können. Die avisierte Reform – was auch immer da wirklich kommen mag – ist bereits jetzt ein Jobkiller. Die Botschaft landauf, landab ist doch die: Es wird eine namhafte Anzahl an Krankenhäusern kurz- und mittelfristig nicht mehr existieren. Wen soll die Branche denn da wirklich für die Ausbildung in der Pflege gewinnen können und auch manch angehender Student wird überlegen, ob er oder sie Medizin überhaupt studieren soll.

Längst sind die Recruiter im Kosovo, in Albanien, auf den Philippinen und in Brasilien unterwegs. In manchen Kreisen Deutschlands wird noch über Fachkräfteeinwanderung diskutiert. Diesen Personen sei ein Blick in die Realität der Pflege angeraten – ohne diese ausländischen Fachkräfte sähe es auf den Stationen noch viel dramatischer aus. Wir bei Sana haben uns vor Kurzem darüber gefreut, dass die Landessiegerin Schleswig-Holstein des Wettbewerbs „Deutschlands beste Pflegekraft“ aus unserem Lübecker Haus kommt. Es wird kaum wundern: Margie Baruela ist eine Philippinin. Es wird uns allerdings nicht gelingen, ausreichend Margies zu gewinnen.

Einer der großen Stellhebel ist der Bürokratieabbau. Rund ein Drittel der Arbeitszeit ist gefüllt mit Administrations- und Dokumentationspflichten. Statt Abbau von Bürokratie erleben wir einen Aufbau. Das geplante Krankenhaustransparenzgesetz bringt noch mehr Bürokratie. Dabei gibt es bereits heute umfassende Informationen über die Personalausstattung der Fachabteilungen und über Qualitätsindikatoren in der Leistungserbringung – sei es bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder der Initiative Qualitätsmedizin.

Der zweite große Stellhebel ist die Digitalisierung beziehungsweise Transformation. Denn: Ein bescheidener Prozess wird auch digitalisiert ein bescheidener Prozess bleiben. Es geht also darum, Prozesse neu zu denken, die dann digital unterstützt werden. Das Krankenhauszukunftsgesetz wird sicherlich positive Effekte zeigen, wie auch die Einführung der elektronischen Patientenakte. Vielleicht wird die helfende Hand bei der Essensausgabe oder anderen Aufgaben künftig auch mal die eines Roboters sein. Die Hände der Pflegenden müssen künftig viel seltener Kugelschreiber halten, dafür hoffentlich häufiger die von Patienten.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in “f&w - Führen und Wirtschaften im Krankenhaus” im September 2023