Ismaning,
11
Oktober
2023
|
15:00
Europe/Amsterdam

"Wir müssen Behandlungs- und Versorgungsprozesse neu denken"

Zusammenfassung

Digitale Services helfen dabei, aktuellen Herausforderungen in den Krankenhäusern zu begegnen. Auch das KHZG bietet viele Möglichkeiten und einen Lichtblick. Welche Ziele Sana dabei verfolgt, berichtet Dr. Jens Schick im Interview.

Jens Schick

Was sind aktuelle Herausforderungen, die Ihren Mitarbeitenden im Alltag in den Sana-Kliniken begegnen?

Die Herausforderungen im klinischen Alltag sind für unsere Mitarbeitenden seit Jahren immer noch dieselben. Es herrscht ein großer Fachkräftemangel in Kombination mit einer großen Bürokratie in den Behandlungs- und Versorgungsprozessen. Immer noch gibt es viel zu viele Prozess- und Medienbrüchen, was dazu führt, dass immer noch sehr viel manuell erfasst und dokumentiert wird. Jeder klinische Auftrag, sei er auch noch so simpel, erzeugt eine Kette von administrativen Aufgaben. Für das Röntgen eines Torax muss die Untersuchung angefordert, zeitlich geplant und durchgeführt werden, ein Patiententransport organisiert, ein Befund erstellt, validiert und archiviert sowie an den Patienten kommuniziert werden. Anschließend wird die Untersuchung auch noch abgerechnet. Moderne Medizin ist ein komplexes System, das die Interaktion der unterschiedlichen Berufsgruppen, Daten, Prozesse und Systeme erfordert. Viele IT-Systeme sind dazu heute nicht in der Lage, da Daten-Schnittstellen entweder nicht untereinander kompatibel oder auch nicht vorhanden sind. Die klinischen Prozesse und Abläufe sind dadurch oftmals gestört, das manuelle, zeitintensive Erfassen und Übertragen von Daten durch die Mitarbeitenden ist die Folge. Bei der Behandlung und Versorgung unserer Patienten fehlt diese Zeit. In Summe führt dies bei allen an der Behandlung und Versorgung Beteiligten zu einer Mehrbelastung.

Wie, glauben Sie, können digitale Anwendungen und Services dabei unterstützen, diese Herausforderungen zu lösen?

Anhand der Patient Journey von ambulant über stationär bis rehabilitativ sind wir fachdisziplinübergreifend dabei, die Behandlungs- und Versorgungsprozesse neu zu denken und in den Regionen, in denen wir tätig sind, zu etablieren. Kernbausteine dabei sind strukturierte Daten, sektorenübergreifende und ubiquitäre Datennutzung, automatisierte Prozesse und entscheidungsunterstützende Systeme. Die Fördermittel des Krankenhauszukunftsgesetzes, KHZG, werden uns dabei helfen, einen Teil des Fundaments dafür zu bauen.

Welche Ziele verfolgt die Klinik insgesamt durch das Vorantreiben der eigenen Digitalisierung, sprich der Nutzung digitaler Tools und Services im Klinikalltag?

Digitalisierung und Tools sind ja kein Selbstzweck. Sie sollen dabei helfen, die Qualität der Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Das gilt sowohl für die medizinische Qualität als auch für den Service rund um einen medizinisch oder pflegerisch notwendigen Termin. Bei unseren Vorhaben liegt dabei ein Fokus auf der in unserem Sana-Sprachgebrauch verwendeten „externen Digitalisierung“. Das ist die enge, digital getriebene Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung, z. B. durch die Etablierung telemedizinischer Zentren und Patientenportale. Der zweite Fokus liegt auf der „internen Digitalisierung“. Damit meinen wir das papierlose Krankenhaus: die vollständige Digitalisierung und Automatisierung der klinischen Abläufe, Prozesse und Daten. Im Diagnose- und Behandlungsverlauf werden alle benötigten Daten in digitaler, strukturierter Form zur Verfügung stehen.

Jens Schick

Setzen Sie bei Ihren Digitalisierungsprojekten auch auf Cloud-Lösungen? Und wenn ja: Welche Vorteile sehen Sie hierbei?

Wir haben das in anderen Branchen erlebt: Cloud-Lösungen erhöhen die Datensicherheit, erlauben effizientere Prozesse und bieten Skalierbarkeit. Auch wir sehen in der Nutzung von Cloud-Lösungen viele Vorteile. Unter anderem bietet uns die Cloud die Möglichkeit, den Fokus in unserer IT neu zu bestimmen: weg von dem bisherigen, sehr personalressourcen-intensiven On-Prem-Betrieb in unseren Rechenzentren. Damit einher geht die Umwidmung von Personalressourcen und ein Up-Skilling hin zur Business-Prozess- und Datenmodellierung in unseren Einrichtungen. Diese Veränderung ist nach unserer Einschätzung auch im Gesundheitswesen längst überfällig. Vorausgesetzt natürlich, dass Software-as-a-Service- und Cloud-Nutzung datenschutzkonform erfolgen.

Welche Digitalisierungsvorhaben setzen Sie mit Doctolib um? Welche Ziele haben Sie sich hierbei gesteckt?

Mit Doctolib realisieren wir drei Bausteine unseres zukünftigen Patientenportals MeineSana: ambulantes und stationäres Terminmanagement, strukturierter Dokumentenaustausch und Videosprechstunde. Eines der Ziele ist weniger Administration und mehr Zeit am Patientenbett – letztlich mehr Qualität mit weniger Aufwand. Zudem werden die Patientinnen und Patienten mit der Anwendung ihre Termine unabhängig von Ort und Zeit buchen und Videosprechstunden vereinbaren können. Darüber hinaus erhalten sie die Möglichkeit, vorab wichtige Informationen und Dokumente mit den Ambulanzen und dem Krankenhaus zu teilen. Zuweisende Ärztinnen und Ärzte können stationäre Aufnahmen buchen, die Termine mithilfe von Anamnesebögen und Dokumenten- Uploads vorbereiten und alle relevanten Informationen während und nach der Behandlung teilen und darauf zugreifen.

Was glauben Sie, wie die Patientinnen und Patienten auf die neuen Tools und Services reagieren werden?

Es wird bei uns und bei den Patientinnen und Patienten sicherlich eine Gewöhnungsphase geben. Derzeit machen wir die Erfahrung, dass diese Services nach kurzer Zeit als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden und man sich nach einiger Zeit fragt, wie es je hatte anders laufen können. Dabei spielt das Alter keine Rolle.

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Über die Sana Kliniken AG

Die Sana Kliniken AG ist führender integrierter Gesundheitsdienstleister im deutschsprachigen Raum. Die ganzheitliche Gesundheitsversorgung erstreckt sich von Präventionsangeboten über die ambulante und stationäre Versorgung bis hin zu Nachsorge, Rehabilitation und Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Neben B2B-Services in Einkauf und Logistik bietet Sana Beratung, Implementierung und Instandhaltung in den Bereichen Medizintechnik und Medizinprodukte sowie Managementleistungen für externe Kliniken an. 2022 erwirtschafteten die rund 34.500 Beschäftigten einen Umsatz von drei Milliarden Euro. Zur Sana Kliniken AG zählen mehr als 120 Gesundheitseinrichtungen, darunter Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und 44 Krankenhäuser, in denen jährlich rund zwei Millionen Patientinnen und Patienten behandelt werden, sowie mehr als 50 Sanitätshäuser. Eigentümer der 1976 gegründeten Sana Kliniken AG sind 24 private Krankenversicherungen. Sitz der Unternehmenszentrale ist Ismaning bei München.