Ismaning,
24
Januar
2024
|
08:00
Europe/Amsterdam

Warum betreibt die Sana Kliniken AG eigene Sanitätshäuser?

Interview mit Dr. Harald Blanz, Geschäftsführer der Sana Future GmbH, im Fachmagazin "Gesundheitsprofi"

Zusammenfassung

Dr. Harald Blanz, Geschäftsführer der Sana Future GmbH, erläutert im Interview mit dem Fachmagazin Gesundheitsprofi warum Sana in den Markt der Hilfsmittel eingestiegen ist und welche Strategie verfolgt wird.

Dr. Harald Blanz

Die Sana Kliniken sind vor rund zehn Jahren in den Hilfsmittelmarkt eingestiegen. Heute gehören vier Sanitätshäuser mit zusammen rund 50 Standorten zum Konzern. Dr. Harald Blanz ist Geschäftsführer der Sana Future GmbH und verantwortet den Hilfsmittelbereich. GP hat mit ihm über die Wachstumsstrategie des Klinikkonzerns gesprochen.

GP: Herr Dr. Blanz, mit der Übernahme der Orthotechnik Rummelsberg ist die Sana Kliniken AG 2014 in den Sanitätshausmarkt eingestiegen. Warum? 

Harald Blanz: Die Übernahme passte zur Strategie, welche die Sana Kliniken AG seit ihrer Gründung verfolgt: Wir wollen die beste Patientenversorgung bieten. Der logische Schritt war damals die Frage, wo die Versorgung anfängt, wo sie aufhört und welche präventiven Maßnahmen sich in der Kette davor und in der Nachsorge anbieten, um Menschen zu unterstützen, damit sie hoffentlich erst gar nicht – erstmals oder wieder - zum Patienten werden. Wir wollen die Rundum-Versorgung holistisch – also alles aus einer Hand – in der Region erlebbar machen.  Unsere Fachklinik in Rummelsberg verfügte schon seit Jahrzehnten über eine orthopädische Werkstatt. Dieser elementare Baustein für den Erfolg der Patientenversorgung war aber nicht wirklich integriert. Im Jahr 2014 kam die Überlegung auf, den gesamten Prozess ganzheitlicher zu denken – und wir haben unter dem Namen Orthotechnik Rummelsberg gestartet. Dies erfolgte zunächst mit einem Kooperationspartner für die Bereiche Sanitätshaus und Rehatechnik. In der Folge konnten wir zusammen mit unseren Werkstätten vor Ort einen super Service für die Patienten bieten, der sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern etabliert hat. 

Fräsroboter im hauseigenen Fräszentrum

GP: Inzwischen gehören vier Sanitätshäuser zum Konzern. Was zeichnet die Zusammenarbeit mit einem eigenen Sanitätshaus aus? Eine bessere Versorgungsqualität ist ja kein Automatismus.

Blanz: Es ist tatsächlich kein Automatismus. Doch wenn man überregional agieren und sein Portfolio erweitern möchte, macht es Sinn, alles in der eigenen Hand zu haben. Manche Investitionen rechnen sich erst ab einer gewissen Größenordnung. Wir entwickeln perfekt auf den Patienten abgestimmte Produkte, die wir an mehreren Standorten zur Verfügung stellen können.

GP: Können Sie ein Beispiel geben?

Blanz: Wir haben zum Beispiel einen Fräsroboter angeschafft. Das ist eine Investition im sechsstelligen Euro-Bereich, die für ein einzelnes Sanitätshaus so wohl nicht sinnvoll ist. Da braucht es schon eine gewisse Tiefe in der Fertigung sowie ein gewisses Auftragsvolumen. Inzwischen fräsen wir an unserem Standort in Bayreuth für unsere gesamte Struktur.

GP: Dahinter steht der Gedanke, dass man zentralisiert für verschiedene Partner Dienstleistungen anbietet. Ist das ein Teil Ihrer Strategie?

Blanz: Die Situation ist sehr unterschiedlich, je nachdem, welches Produkt oder welche Kategorien man sich anschaut. Wenn Sie vom 3D-Druck sprechen, der an verschiedenster Stelle in der Prothetik oder für Einlagen genutzt wird, dann ist die Dienstleistung aktuell lokal vor Ort von Vorteil und nicht irgendwo in einer zentralen Fertigungsstraße.

Mit Blick auf den Fräsroboter macht Zentralisierung durchaus Sinn, aber das geschieht bei uns noch auf ganz kleinem Niveau. Da sind uns andere Unternehmen deutlich voraus und sehr zentralisiert unterwegs. Das ist ein Teil unserer längerfristigen Überlegungen im Hinblick auf die zukünftige Aufstellung. Wir machen es nicht, weil „zentral“ einfach richtig sein muss. Wir schauen auf die einzelnen Kundenbedürfnisse vor Ort in den Regionen. Und da hat sich noch kein einheitliches Bild dahingehend ergeben, dass eine zentrale Fertigung die zwangsläufige Folge ist.

GP: Ich dachte, man könnte lokal vor Ort scannen, vermessen und anpassen. Aber die eigentliche Fertigung, z. B. in einer Druckerfarm, geschieht gebündelt an einem Ort.

Blanz: Wo gedruckt wird, hängt bei uns von den lokalen Gegebenheiten ab.

GP: Wird Sana in den nächsten Jahren mehr Sanitätsfachgeschäfte übernehmen als in der Vergangenheit? Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus? 

Blanz: Wir sind nicht getrieben in Sachen Zeit und Wachstum. Wir investieren lieber ein bisschen mehr Zeit in ein stabiles Fundament. Unser Ziel ist, unsere Gesellschaften bestmöglich auszustatten, weniger eine jährliche Quote zu erfüllen. Wir sind offen für Kooperationen. Ich glaube, dass wir ein sehr interessanter Partner für Sanitätshäuser sind, die eine langfristige Perspektive haben möchten. Gespräche führen wir derzeit viele, ohne dass wir uns irgendeinem Druck ausgesetzt fühlen. Die Investition muss zum Portfolio passen. Es geht uns um integrierte Lösungen für den Patienten. Der Patient bestimmt, was sinnvoll ist. 

Wir haben eine langfristige Perspektive und wollen die richtigen Partner mit dem größtmöglichen „Fit“ mit an Bord haben. Wir sind nicht getrieben durch kurzfristige Erfolge. Unsere Eigentümer, private Krankenversicherer, denken in langfristigen und nachhaltigen Zyklen. Die Frage lautet deshalb bei uns: Wer will als Unternehmer mit uns ein neues Kapitel für sein Unternehmen aufschlagen? Das ist mit uns möglich. 

GP: Stichwort Fit: Wie sieht der ideale Übernahmekandidat für Sie aus? Kommt es auf den Klinikstandort oder die Spezialisierung auf einen bestimmten Geschäftsbereich an? 

Blanz: Als erstes geht es um die Mentalität als Unternehmer, die ihren Fokus auf die Patienten weiter entwickeln wollen. Außerdem sollten sie eine gewisse Größe mitbringen und regional zu uns passen. Wenn es das Ziel ist, alles aus einer Hand anzubieten, muss natürlich auch das Portfolio eine gewisse Tiefe haben. Grundsätzlich sind die Einrichtungen und Unternehmen, die für uns interessant sind, Vollsortimenter. Dabei reden wir über die Orthopädie- und Rehatechnik sowie den Sanitätshausbereich. Wo wir bisher nicht so stark aufgestellt sind, ist das Thema Homecare. Hier liegt nicht unser Fokus. 

GP: Das überrascht mich. Ich hätte gedacht, das Thema passt gut zu Sana.

Blanz: Da liegen Sie absolut richtig. Aber, wie gesagt, wir planen langfristig. Natürlich macht es Sinn, über dieses Thema irgendwann noch einmal dezidiert zu sprechen. Bei den Unternehmen, die sich uns bisher angeschlossen haben, stand das Thema Homecare nicht im Fokus der unternehmerischen Aktivitäten. Das heißt aber nicht, dass wir uns damit nicht perspektivisch auseinandersetzen.

GP: Wo sehen Sie die besonderen Herausforderungen für die Sanitätshausbranche?

Blanz: Grundsätzlich handelt es sich um einen Wachstumsmarkt. Wir haben in den letzten Jahren gehäuft sehr viele Restriktionen durch Kostendruck und Bürokratie gespürt. Außerdem ist der Arbeitskräftemangel auch in unserer Branche zunehmend spürbar.

Wir versuchen, durch Synergien zwischen unseren Gesellschaften und den vorhandenen Arbeitsmitteln junge Leute für den Handwerksberuf zu begeistern. Dieses Herzblut, das wir in unseren Häusern sowie allen anderen Einrichtungen sehen, wird uns auch in die Zukunft tragen. Da wollen wir Gestalter sein und bilden daher auch aus in unseren Betrieben.

GP: Wie wird sich der Sanitätshausmarkt weiterentwickeln?

Blanz: Wenn Sie auf die Marktteilnehmer anspielen, ist das Bild eindeutig. Es gibt neben den klassischen Sanitätshäusern vermehrt Private-Equity-Firmen, Hersteller und andere Verbünde, die in der Branche auf unterschiedlichstem Wege aktiv sind. Hinzu kommen die Herausforderungen auf dem Online-Markt. Dabei haben wir den Vorteil, dass wir den Kern unserer Leistungen am Patienten direkt erbringen.

GP: Gibt es eine Online-Strategie für die Sanitätshäuser? Und wie unterschiedlich sind diese hier aufgestellt?

Blanz: Wir sind in einer sehr frühen Phase unserer Entwicklung. Daher kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich viel dazu sagen. Die Häuser sind definitiv unterschiedlich aufgestellt. Das Reha Team Nordbayern betreibt einen Onlineshop. Andere Sanitätshäuser haben sich damit noch gar nicht befasst. Da finden wir bei uns das komplette Spektrum. Hier müssen wir unsere Unternehmen erst einmal auf eine Basis konsolidieren. Wie in anderen Geschäftsbereichen müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, um einheitlich alle relevanten Themen anzugehen, um dann signifikante Synergien zu heben. Das sind unsere anstehenden Herausforderungen.

GP: Sind die Sanitätshäuser Teil einer Leistungserbringergruppe? 

Blanz: Zwei unserer Gesellschaften sind bei der Sanitätshaus Aktuell AG Mitglied. Die beiden anderen sind nicht gebunden. Natürlich tauschen wir uns mit Sani Aktuell aus. Das Reha Team Bayreuth ist schon lange fester Bestandteil der Entwicklung gewesen. Wir werden mit Sani Aktuell sprechen und schauen, wo uns dann die Wege hinführen. 

GP: Es gibt keinen einheitlichen Marktauftritt der Häuser nach außen. Ist das geplant? 

Blanz: Das haben wir bisher bewusst nicht gemacht. Wir haben starke Unternehmer bei uns, die teilweise auch in der Namensgebung keine unerhebliche Rolle spielen, wie beim Sanitätshaus Helmut Haas in Borna. Die Kolleginnen und Kollegen gaben ein starkes Commitment ab, zusammen mit uns ihre weitere Entwicklung voranzutreiben. Wir unterstützen sie und versuchen sie fit zu machen für den gemeinsamen Erfolg. Dafür ist jetzt der Name Sana nicht zwingend notwendig. Wenn das irgendwann für den Patienten oder für unsere Struktur Sinn ergibt, dann gehen wir das an. Aber Stand jetzt ist es so, dass wir zu den Unternehmen, so wie sie groß geworden sind und somit auch für die Namensgebung, stehen. 

GP: Sana will Patienten ganzheitlich versorgen. Könnte man sich vorstellen, dass man z. B. in der Physiotherapie externe Partner übernimmt, oder als Konzern im Bereich Medizinische Versorgungszentren noch aktiver wird? 

Blanz: Ohne die Entwicklungen im Einzelnen vorhersehen zu können, kann man grundsätzlich sagen, dass in der Gesundheitsbranche vieles denkbar ist. Neue Versorgungsstrukturen werden sich mit Sicherheit entwickeln, da vor dem Hintergrund der bekanntlich limitierten Ressourcen es so nicht weitergehen kann. 

GP: Läuft die Patientenversorgung an den Standorten mit eigenen Sanitätshäusern signifikant besser als an den anderen? 

Blanz: Ich glaube, dass die Branche so aufgestellt ist, dass der Patient im Grundsatz seine Bedarfe bedient bekommt. Es geht nur darum, ob die Versorgung integriert, vorausschauend, schneller oder auf einem einheitlichen Qualitätsniveau funktioniert. Da mag es lokale Unterschiede geben. Ich kann keine Aussage im Detail treffen. Wir haben lediglich die positiven Beispiele an unseren Standorten. Das können wir wirklich wahrnehmen. Gerade am Beispiel Rummelsberg sehen wir, dass das elementar für das Haus und die Patienten ist. 

GP: Funktioniert zum Beispiel das Entlassmanagement über die eigenen Häuser besser? 

Blanz: Es funktioniert wie an den anderen Orten auch. Es gibt Regeln, an die wir uns halten. Der Patient ist natürlich frei in seiner Wahl und kann die Versorgung so gestalten, wie er das möchte. Wenn ich als Patient einen gewissen Bedarf an Hilfsmitteln habe, dann will ich das nicht als Problem haben, sondern möchte eine Lösung bekommen. Daran arbeiten wir. 

Die Sanitätshäuser der Sana Kliniken AG 

Das Interview ist zuerst im Magazin Gesundheitsprofi  im Januar 2024 erschienen.