Der Mann im Kreißsaal

Der Mann im Kreißsaal

Erzählt aus der Sicht eines Vaters

Der Geburtstermin zählt ja – neben der Hochzeit – zu den Tagen im Leben, denen Mann und Frau gleichermaßen entgegenfiebern. Allerdings sind die Rollen hier sehr ungleich verteilt. Denn die Arbeit liegt ausschließlich bei der Frau. Dem Mann kommt eine durchaus wichtige Statistenrolle zu, die er mehr oder weniger gut erledigen kann. Die Tasche mit den Klamotten tragen, beim Spaziergehen während der Wehen der Frau stützend zur Seite stehen und die Hand halten, wenn es so richtig ernst wird – der Mann hat nur eine unterstützende tragende Rolle in diesen für die Frau so schweren und unglaublich schmerzhaften Stunden.

Dass Mann dennoch viele Fragen und Unsicherheiten hat, wenn es um den Aufenthalt im Kreißsaal geht, liegt nahe. Das fängt bei mangelnder Geduld an. Eine Geburt kann dauern. Von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen (mit Ausreißern nach oben und unten) ist alles dabei und spätestens hier gilt, was Eltern nach der Geburt sowieso immer wieder aufs Neue lernen werden: Die theoretischen Fakten in den unzähligen Geburts- und Erziehungsratgebern können stimmen – müssen es aber nicht. Der Hinweis, dass der statistische Durchschnittswert überschritten ist, der für eine „normale“ Geburt angesetzt wurde, ist deshalb während einer Geburt nicht hilfreich. Aufgabe des Vaters bei der Geburt ist, zu unterstützen, nicht zu fordern, dabei zu sein und nicht dauernd auf die Uhr zu schauen.

Keiner erwartet übrigens im Kreißsaal, dass der Mann ein Held ist. Dass es die Frau ist, die hier kämpft und leidet, versteht sich von selbst. Der Mann sollte ebenfalls mit vollem Einsatz Hilfe leisten und beistehen – geht es ihm selbst nicht gut, sollte er außerhalb des Kreißsaals frische Luft schnappen oder ärztlichen Rat konsultieren. Natürlich wird ihm im Krankenhaus stets geholfen, aber die Hauptrolle bei der Geburt spielen Frau und Kind. Ratsam ist es, dass auch der Mann ausreichend isst und trinkt – denn auch in seiner Nebenrolle ist er unverzichtbar und man(n) sollte nicht riskieren, dass sich die werdende Mutter auch noch um den kollabierten Vater Sorgen machen muss.

Gut für die Psyche des Mannes ist es, den richtigen Platz einzunehmen. Der ist auf Höhe des Kopfes der Mutter. Nirgendwo sonst. Der Platz für die älteren Geschwister ist übrigens außerhalb des Krankenhauses. Hier wie dort gilt: Eine Geburt – so freudig sie auch ist – ist mit Schmerz und viel Körperlichkeit verbunden. Daher: Sich rechtzeitig um einen Platz für die Geschwister kümmern, hilft, im richtigen Moment vorbereitet zu sein und macht den Kopf beider Eltern für die Geburt frei.

Erfahrungen aus früheren Geburten können manchmal helfen; müssen aber nicht, das ist wie mit der durchschnittlichen Geburtsdauer (siehe oben). Vergleiche im Stile „das letzte Mal ging das aber doch recht fix“ sind weder hilfreich noch tragen sie dazu bei, die Stimmung im Kreißsaal aufzulockern. Das gilt übrigens auch für das Personal. Pflegekräfte, Ärzte und vor allem die Hebammen wissen ganz genau, was sie tun. Erfahrungen aus der ersten Geburt mit dem Fachpersonal zu teilen, hilft höchstens dem Vater in seiner Aufregung weiter und ist deshalb natürlich okay. Aber solange es keine Komplikationen gibt, dauert diese Geburt so lange, wie diese Geburt eben dauert und die Hebamme weiß das.  

Spätestens mit dem Durchschneiden der Nabelschnur – eine Rolle, die dann dem Vater obliegt und die man(n) auch nicht üben kann – beginnt dann auch für ihn endgültig das neue Kapitel im Leben der Familie. Dieses darf man übrigens auch gerne mit Foto und Video festhalten – aber während der Geburt sollte man das im Sinne der Mutter und der Zuschauer auf ein absolutes Mindestmaß beschränken. Interessant sollte während der Geburt ausschließlich die Mutter und danach die neue Familie sein. Die Zahl der Bilder vom neuen Familienmitglied wird in den kommenden Wochen sowieso schnell vierstellig werden, da sollten die ersten Stunden keine große Rolle spielen.

Kontakt

Friederike Knüpling

Hebamme, Sana Klinikum Lichtenberg

Zur Klinik