
Die Suche nach Ärztinnen und Ärzten unterscheidet sich deutlich von anderen Berufsgruppen. „Wir bewegen uns in einem sehr kleinen Kandidatenmarkt bei gleichzeitig hoher Nachfrage“, erklärt Jessica Schadewitz-Schäkel, Active Sourcerin im Sana Recruiting-Team. „Viele Ärztinnen und Ärzte sind nicht aktiv auf Jobsuche. Deshalb müssen wir sie gezielt und sehr sensibel ansprechen.“
Während Karrierenetzwerke wie LinkedIn oder Xing in vielen Branchen eine wichtige Rolle spielen, zeigt sich auch im medizinischen Umfeld eine zunehmende Präsenz auf LinkedIn. „Immer mehr Ärztinnen und Ärzte sind dort aktiv und können gezielt angesprochen werden. Auf Xing finden sich hingegen häufiger Profile aus dem kaufmännischen Umfeld“, weiß Jessica. Zugleich gilt: Viele Ärztinnen und Ärzte reagieren zurückhaltender und legen großen Wert auf Seriosität, Diskretion und Datenschutz. „Das ist ein entscheidender Unterschied“, betont sie. „Unsere Ansprache muss nicht nur individuell und fachlich fundiert sein, sondern auch glaubwürdig und vertrauenswürdig wirken.“
Um Ärztinnen und Ärzte zu erreichen, setzt Sana neben Karrierenetzwerken vor allem auf direkte Kontaktwege. „Wir schreiben viele Kandidatinnen und Kandidaten direkt per E-Mail oder über LinkedIn an oder greifen zum Telefonhörer. Auch persönliche Netzwerke, Kongresse und Fachveranstaltungen spielen eine große Rolle“, berichtet Jessica.
Die Reaktionen auf solche Ansprachen sind sehr unterschiedlich. „Viele Mediziner reagieren zunächst zurückhaltend oder haben wenig Zeit. Manche lehnen eine Anfrage auch direkt ab, wenn sie nicht passt. Aber wenn das Angebot seriös, fachlich relevant und präzise formuliert ist, stoßen wir häufig auf echtes Interesse.“
Gerade der erste Eindruck ist entscheidend: „Die Ansprache muss individuell gestaltet sein, einen klaren Bezug zur Fachrichtung und zum bisherigen Werdegang herstellen und transparent kommunizieren, worum es geht. Wenn wir glaubwürdig auftreten – als Recruiter gemeinsam mit der jeweiligen Klinik –, schaffen wir eine Basis für ein vertrauensvolles Gespräch.“
Ein Thema, das in der Kommunikation mit Kandidaten (m/w/d) immer wichtiger wird, ist die Work-Life-Balance. „Gerade bei Jüngeren spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine zentrale Rolle“, erklärt Jessica. Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, transparente Informationen zu Diensten und Rufbereitschaften sowie klare Aussagen zur Flexibilität seien für viele entscheidende Faktoren.
„Wir merken, dass Work-Life-Balance inzwischen ein echter Wettbewerbsvorteil ist“, sagt sie. „Wenn wir diese Aspekte früh und offen ansprechen, erreichen wir viele Mediziner sehr viel besser.“
Ein zentraler Baustein im ärztlichen Active Sourcing ist die enge Einbindung der medizinischen Führungskräfte. „Wir stimmen uns frühzeitig mit Chefärzten oder leitenden Oberärztinnen und -ärzten ab. Sie führen häufig die fachlichen Gespräche mit den Kandidatinnen und Kandidaten, und das wird sehr geschätzt“, sagt Jessica.
Diese enge Abstimmung trägt nicht nur zur fachlichen Passgenauigkeit bei, sondern stärkt auch die Attraktivität der jeweiligen Abteilung. „Chefärztinnen und Chefärzte prägen entscheidend, wie eine Klinik oder Abteilung wahrgenommen wird. Wenn sie aktiv eingebunden sind, erhöht das die Glaubwürdigkeit unserer Ansprache enorm.“
In vielen Fachrichtungen gestaltet sich die Suche nach qualifizierten Ärztinnen und Ärzten zunehmend schwierig – insbesondere in vermeintlich weniger attraktiven Regionen. Grundsätzlich ist nahezu jeder Fachbereich betroffen. Die geringe Wechselbereitschaft vieler Ärztinnen und Ärzte, auch bedingt durch die noch unklare und schwer planbare Krankenhausreform, erschwert die Besetzung offener Positionen zusätzlich.
„Gerade deshalb ist der persönliche Austausch mit potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten von großer Bedeutung – eine einfache Stellenausschreibung reicht hier oft nicht aus“, betont Jessica.
Zudem zeigt sich, dass einige Fachrichtungen besonders stark mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen haben, während andere – wie etwa die Geriatrie – aufgrund des demografischen Wandels mittlerweile in nahezu allen Kliniken Deutschlands einen hohen Personalbedarf aufweisen.
„Gerade in diesen Bereichen braucht es Geduld, Ausdauer und strategisches Vorgehen. Wir müssen langfristig Netzwerke aufbauen, passende Profile identifizieren und den richtigen Moment für die Ansprache finden.“
Wenn Mediziner auf eine Anfrage reagieren, stellen sie meist sehr gezielte Fragen. „Die häufigsten Themen sind Arbeitszeiten, Dienste und Rufbereitschaften, aber auch die Teamgröße, die Ausstattung, Weiterbildungsmöglichkeiten, Vergütung und Standortfaktoren“, erklärt Jessica. „Viele möchten wissen, wie gut die Abteilung ausgestattet ist, welche Entwicklungsperspektiven bestehen und wie familienfreundlich die Strukturen sind.“
Je nach Fachrichtung kann es zwischen drei und neun Monaten dauern, bis ein Recruiting-Prozess erfolgreich abgeschlossen ist. „Bei jungen Assistenzärzten geht es oft schneller, bei Chefärzten braucht es naturgemäß mehr Zeit“, sagt sie.
Jessica ist überzeugt, dass Active Sourcing im medizinischen Bereich weiter an Bedeutung gewinnen wird. „Wir werden in Zukunft noch professioneller werden müssen, gerade was die digitale Ansprache betrifft“, sagt sie. Soziale Medien und spezialisierte Plattformen werden stärker genutzt werden, gleichzeitig wird das Employer Branding der Kliniken immer wichtiger.
„Auch Internationalisierung spielt eine zunehmende Rolle. Und Themen wie Work-Life-Balance und Flexibilität werden zentrale Argumente bleiben – wahrscheinlich sogar noch stärker als heute.“