Multiple Persönlichkeiten

Schizophrenie

Keine Persönlichkeitsstörung

Ein Interview über Schizophrenie und Stigmatisierung mit Dr. Till Glauner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Sana Klinikum Offenbach.

Wahnvorstellungen oder Halluzinationen gelten als typische Symptome einer schizophrenen Erkrankung. Aber was bedeutet eigentlich Schizophrenie und wie häufig ist diese Krankheit in Deutschland beziehungsweise weltweit?

Der Begriff der Schizophrenie ist häufig gebraucht, aber wenig oder gar nicht verstanden. Wie oft hört man die Aussage „Das ist doch schizophren“. Gemeint ist wohl das Widersprüchliche, Unverständliche, „Verrückte“. Im alltagssprachlichen Gebrauch hat der Begriff oft eine negative, herabwürdigende Konnotation, die zu einer Stigmatisierung betroffener Personen führt. Im psychiatrischen Kontext ist mit dem Begriff Schizophrenie eine klar definierte Erkrankung assoziiert. Die schizophrene Erkrankung ist eine Gruppe von verschiedenen Krankheitsbildern, zu denen psychotische Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen gehören. Zusätzlich kommen kognitive Störungen mit desorganisiertem Verhalten sowie sogenannte negative Symptome mit Einschränkungen im allgemeinen Lebensvollzug dazu. Die Erkrankung ist mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit von etwa einem Prozent häufig und oft mit erheblichen psychosozialen Folgen für die Betroffenen und deren Angehörige verbunden. Ein wichtiges Anliegen ist, das Wissen um dieses Krankheitsbild zu verbessern und damit Vorurteile und die Stigmatisierung zu reduzieren.

Schizophren bedeutet „gespaltene Persönlichkeit“ – was sagen Sie zu dieser Pauschalierung?

Gerade das ist die Erkrankung nicht! Die Symptome sind vielgestaltig, aber diagnostisch und medizinisch klar definiert. Gemeint ist, dass bei den Betroffenen völlig gesunde Anteile neben oft nicht einfühlbaren Denk- und Verhaltensweisen stehen. In der Alltagssprache wird der Begriff „schizophren“ oft stigmatisierend verwendet. In der Konnotation wird er aber der Leidens- und Lebenswirklichkeit der Patienten in keiner Weise gerecht und hat überhaupt nichts mit einer Persönlichkeitsstörung à la „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ gemein.

Gibt es besondere Risikofaktoren an einer Schizophrenie zu erkranken?

Dem bio-psychosozialem Krankheitskonzept folgend liegt eine multifaktorielle Genese vor:

  • Biologische Einflüsse (Anlage) sind genetisch bedingt
  • Schwangerschafts- und geburtsbegleitenden Komplikationen
  • Psychosoziale Einflüsse durch traumatische Lebensereignissen
  • früher Drogenkonsum
  • in der Adoleszenz allgemeine Stress-assoziierte Belastungen

Zusammengefasst lässt sich das Risiko mit einem Stress-Vulnerabilitäts-Coping Modell beschreiben. Das Modell gibt Aufschluss über die Verletzlichkeit eines Menschen und die damit zusammenhängende Anfälligkeit an einer psychischen Krankheit zu erkranken.

Was sind frühe Anzeichen einer möglichen schizophrenen Erkrankung und was können Angehörige tun? Und wie lassen sich schizophrene Erkrankungen therapieren?

Warnzeichen können deutlich verändertes Verhalten sein, zum Beispiel Rückzug, Vernachlässigung üblicher Aktivitäten, plötzliche Beschäftigung mit esoterischen oder übermäßig religiösen Inhalten, veränderte abgestumpfte oder aufbrausende Emotionslage und Antriebsstörungen, Schlaflosigkeit. Weitere so genannte Prodromalsymptome sind Unruhe, Depression, Angst, Denk- und Konzentrationsstörungen, Sorgen, mangelndes Selbstvertrauen, Probleme am Arbeitsplatz. Häufig wird auch beschrieben, dass sich die Betroffenen verfolgt oder beeinträchtigt fühlen. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt, der an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überweist. Auch die Gesundheitsämter mit dem sozial-psychiatrischen Dienst vermitteln weiterführende Hilfen. Grundsätzlich können auch Kliniken erste Hilfestellung und Beratung ermöglichen. Moderne Therapien kombinieren in der Regel Elemente der Psychotherapie, Psychoedukation, Soziotherapie und Medikation – individuell auf den Patienten abgestimmt.

Kontakt

Dr. Till Glauner

Dr. Till Glauner

Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Sana Klinikum Offenbach

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